Hanami

Hanami (花見) heißt wörtlich Blumengucken. Jedes Jahr von Ende März bis Ende April fiebert Japan auf die Kirschblüte hin. Das nationale Wetterbüro veröffentlicht jedes Jahr eine Blühvorhersage der “Kirschblütenfront”.

Februar ist der kälteste Monat im Jahr. Wenn die Tage endlich wieder wärmer werden und sich die ersten zarten Vorboten der erwachenden Natur zeigen, kann man richtig zuhören, wie ein Stoßseufzer der Erleichterung durch die Bevölkerung geht. Und sehen kann man es auch. An den prall gefüllten Tokioter Parks, die lauter Menschen bei den Hanami-Partys zeigen. Dabei setzen sich die Leute auf blauen Plastikplanen unter die blühenden Bäume, picknicken, trinken und fotografieren sich dabei. Bis auf die unzähligen Terrabytes an überflüssigen Fotos eine Spitzenidee.

Überraschungbesuch auf Nii-jima Island

Wer schon mal eine Karte in der Hand gehabt hat, wird wissen, dass Japan aus einer großen Zahl Inseln besteht. Die dichtbesiedelsten vier sind Hokkaido, Shikoku, Kyushu und Honshu, auf welcher Tokio ist. Daneben gibt es noch 426 weitere bewohnte und in Summe 6852 Inseln (dabei sind nur die gerechnet, die mindestens 100m Umfang haben).

Niijima gehört zu den bewohnten Inseln und liegt ca. 150km südlich von Tokio. Anlässlich meines Geburtstages im Jahr 2016 hat sich Annika die Mühe gemacht, einen Ausflug dorthin zu organisieren. Durch strenge Geheimhaltung wusste ich nur, dass ich mir an besagtem Wochenende nichts vornehme dürfe. Ich war gespannt wie ein Flitzebogen, als Annika mich freitags abends in aufwendigem Zickzack mit der U-Bahn zum Hafen manövrierte. (Eine Auflage war, dass ich erst heute davon berichten darf :)

Wir waren nicht alleine am Pier. Hunderte Ausflügler hatten sich bereits eingefunden und die Urlaubsatmosphäre war allgegenwärtig. Um 23 Uhr legte das Schiff aus den Tiefen der Tokioter Bucht ab, vorbei an einigen von Tokios Wahrzeichen, wie der Rainbow Bridge und dem Flughafen Haneda, dessen Landebahn ins “Wasser” gebaut wurde.

Auf den verschiedenen Decks suchten sich die Ausflügler ihr “Plätzchen” – standesgemäß organisiert, wie wir es nun schon von unseren Gastgebern gewohnt sind. Einige Gruppen organisierten große Fressgelage (gäbe es kein Verbot, wäre sicher gegrillt worden!) und natürlich wurde auch gebechert. Wer sich nicht zuvor eingedeckt hatte, konnte sich am Bierautomat bedienen – nachdem per Ausweis die Volljährigkeit bestätigt wurde. An einem anderen Automat konnte man Pommes und Hamburger ordern – wer kennt noch heiße Hexe?

Annika hatte deluxemäßig für uns eine Koje gebucht, so konnten wir eine Mütze Schlaf tanken. Die Fähre stoppt bereits um 4 Uhr morgens an der ersten Insel (Oshima), um die Passagiere abzuladen. Damit auch jeder informiert ist, wird dies über eine hervorragende Lautsprecheranlage kundgetan, die wirklich keiner überhören kann *knirsch*.

Auf Nijima angekommen mussten wir unsere Miet-Fahrräder aufpumpen, denn wieso sollte der Vermieter sich die Mühe machen und sich um die alten Rostgurken selbst kümmern? Eine knappe halbe Stunde später sind wir im Tross der Tokyo Gaijin Gruppe am weitläufigen Campingplatz angekommen und suchen uns ein schönes Plätzchen.

Der Strand ist nicht weit und ein bekanntes Revier für Surfer. Die Brandung ist entsprechend stark – super, um ein paar ungraziöse Sprünge in die Wellen zu üben. Der Strand wurde später nochmal Gegenstand eines ungewöhnlichen Lagerfeuers. Ungewöhnlich weil a) die Organisatoren Glut vom Campingplatz an den Strand trugen (500m) b) für dieses Unterfangen eine nicht ganz feuerfeste Pappe benutzen (alle 50m ein Stopp, Glut zusammenschippen, weiter humpeln) und c) das Lagerfeuer keine 30 Minuten loderte, bevor ein Polizist kam und diese Aktivität untersagte. Viel Aufwand um nichts also, aber lustig.

Die Insel gefällt uns sehr gut, die Temperaturen sind deutlich höher als in Tokio um diese Jahreszeit, der Rhythmus um einige Takte langsamer, die wenigen Attraktionen auf den vorgenannten Gurken erradelbar.

Das Highlight schlechthin ist das Rotemburo – ein Freiluft-Onsen (heisse Quelle) direkt am Meer an einer karstigen Felsküste. Dort kann man 24 Stunden(!) unkontrolliert(!) dem warmen Wasser frönen. Auch deshalb interessant, weil ausnahmsweise Vertreter beiderlei Geschlechts & sogar Tätowierte im selben Wasser dünsten dürfen. Beides in gewöhnlichen Onsen undenkbar.

Ebenso fasziniert hat uns eine ortsansässige Glasbläserei, die lokales Gestein zu Kunstwerken aus Glas verarbeitet. Das Glas hat einen charakteristischen Grünstich und wird auf der Insel auch als Kilometermarker (siehe Bild) eingesetzt.

Auf der Nachbarinsel konnten wir bei einem Tagesausflug noch schöne Buchten mit kristallklarem Wasser und farbenfrohen Fischen bewundern (schnorchelnd). Bei einem kurzen Hike erklommen wir ausserdem den höchsten Punkt der Insel.

Im Resümee ein top Ausflug aus dem Tokioter Grau mit den sinkenden Herbsttemperaturen uns natürlich eine super Geburtstagsüberraschung. Highly recommended!

Aloha – hawaiianische Bekanntschaften

Wen wir in Hawaii gesehen, getroffen oder kennen gelernt haben:

  • Der Winker am Rand der Landstrasse. Im violetten Glitzerjacket mit enthusiastisch-meditativen Bewegungen in Slow-Motion wie ein Techno-Anhänger in den Neunzigern versucht er neue Anhänger für seine Sekte zu finden. Spiritual Awakening. Abgefahren!
  • Der Extrawurst-Kunde. Gesehen in einem Restaurant in Waikiki Beach. Er ist sehr schwerfällig und umständlich und beschäftigt drei Angestellte des Restaurants mit Selbstbedienungsbuffet (!). Weiterhin verzögernd wirkt das mehrfach genuschelte “Thank you soooo much.”
  • Die Bed-and-Breakfast-Lady. Sie wohnt alleine in ihrem Messy-Haushalt und vermietet Gästezimmer zu saftigen Preisen. Die Gäste werden über die gesamte Familiengschichte unterrichtet – inklusive der Vermählung ihrer Tochter mit einem Deutschen aus Kiel, Malte.
  • Die griffbereite Taucher-Lady. Sie schnappt sich Meeresbewohner mit ihren behandschuhten Händen. Für Freizeittaucher eigentlich ein riesen Tabu. Wir sympathisieren mit dem Tintenfisch, der aus Notwehr seinen Sekretbeutel gekonnt entleert und letztlich in einer Tintenwolke abhauen kann.
  • Die gesprächige Sprechstundenhilfe in der Zahnarztpraxis, welche wir wegen Christians maroden Zahns besuchen. Sie erzählt uns, dass sie die meisten Urlaubsorte aus Furcht vor unhygienischen Toilettenverhältnissen meidet. Wir versichern ihr, dass Japan in dieser Hinsicht ein perfektes Reiseziel ist.
  • Tim Ross Music. Ein Alleinunterhalter mit Gitarre und Rhythmusmaschine, der unsere großzügige Spende in seinem Hut beinahe übersehen hätte.
  • Der Flight Attendant auf einem interinsularen Flug, der Geburtstag hat und dessen Kollegin dies über das Bordmikrofon allen Passagieren mitteilt.
  • Die Mietwagen-Büroangestellte. Erst superfreundlich, aber als deutlich wird, dass wir keine Extrawürste buchen, kann sie sich kaum zu einem “Bye bye” durchringen.
  • Die Frau des Zahnarztes, die ihren Mann freundlicherweise dazu bringt, Christians Krone auch samstags einzusetzen. Speziell: während der Injektion der Betäubung (“we want you to be properly numbed up”) reibt die Gute wie verrückt – offensichtlich zur Ablenkung – an Christians Unterarmpelz. Anmerkung: Christian hat den Einstich dennoch bemerkt.
  • Der Mungo am Captain-Cook-Denkmal. Er hat genau kapiert, wie der Hase (=der Tourist) läuft und stibitzt sich mit beeindruckender Geschicklichkeit einen Cookie aus einer unbeachteten Picknicktasche.
  • Der Krake in seinem Habitat am Meeresgrund, der, nachdem Christian ihn entdeckt hat, seine Farbwandelbarkeit und Anpassungsfähigkeit zur Schau stellt. Mindestens so camouflagefähig wie ein Chamäleon. Wer “Findet Dory” gesehen hat, kann sich ungefähr vorstellen, was wir meinen.
  • Die verfolgte Thronerbin. Eine englische Wissenschaftlerin (?), die uns auf einem Campingplatz eine ungefragte Vorlesung zur Geschichte der Insel gibt. Nach und nach offenbart sie uns, dass die britische Krone/Regierung (“they”) schon mehrere Anschläge auf sie veranlasst habe (nach ihrer Zählung 10 oder 11). Grund dafür sei, dass ihr Vater ein illegitimer Windsor-Sprößling gewesen sei. Ach so, außerdem ist sie die Halbschwester von Andrew Lloyd Webber.
  • Die vielen Restaurant-Angestellten, die sich uns mit ihrem Vornamen und aufrichtig gespieltem Interesse vorstellen und natürlich auf saftiges Trinkgeld hoffen. Nach der Bezahlung werden wir unsichtbar wie der Krake am Meeresgrund.
  • Die Schalterbeamtin am County Office, die uns beinahe keine Zelterlaubnis ausgestellt hätte, weil wir 5 Minuten vor Schalterschluss kommen. Die Zelterlaubnis ist übrigens nichts weiter als ein Zettel, den sie ausdrucken muss.
  • Kili’i = hawaiianisch für “Der Hüter des Waldes”, mit bürgerlichem Namen eigentlich Patrick. Versteht sich als Sheriff der Campingplatz-Community und verscheucht schon mal mitten in der Nacht ungebetene Campingplatz-Besucher. Arbeitet hauptberuflich als Koch. Sehr freundlich.

Trip Trip Hurra

Japan hat Ferien. Ganz Japan. Keine Ahnung, aber wir haben Dank des buddhistischen Obonfestes eine Woche frei. Wie angekündigt sind wir mit dem Auto unterwegs und hangeln uns von Campingplatz zu Campingplatz. Tohoku heißt der Nordteil von Japans Hauptinsel Honshu, den wir uns näher angucken.

Reiseroute Camping
Die ganze Route

Aufgrund der hygienischen und Qualitätsstandards, die wir bisher in Japan kennengelernt haben, rechnen wir fest damit, einen Hightech-Zeltplatz nach dem anderen vorzufinden, mit tollen Duschen und exzellentem Service. Als wir gegen 18:30h am Yumoto-Campingplatz (1.) ankommen, ist niemand mehr an der Rezeption, der unser Geld entgegennehme könnte, es gibt allerdings auch keine Waschräume oder Duschen. Außerdem sind wir mit Abstand die Kleinsten. Unser Zwei-Personen-Wurfzelt, was wir in zwei Minuten aufbauen können, wirkt ziemlich pimpfig im Vergleich zu den großen japanischen Zelten mit Vorzelt. Der Platz bietet aber alles, was wir brauchen und wir können noch eine kleine Wanderung einbauen, die Lust auf mehr macht. Diesen Ort merken wir uns schon mal vor, denn er ist nur ca. 3 Stunden von Tokio weg, schön zum Wandern und ist im Winter ein Skigebiet.

Oikeikoinomori Camping Ground
Campingplatz 2
P1060290
Campingplatz 2

Unsere nächste Schlafstatt (2.) ist super, weil wir direkt auf einer kleinen Insel in einem See sind. Wir dürfen zwar nicht schwimmen, aber Federball und Frisbee spielen und die Slackline anbringen. Da die Fähre nach Sado Island, die wir bekommen wollen, nur drei Mal am Tag fährt, haben wir auch Zeit, das Ganze gemütlich angehen zu lassen. Auch hier, versichert uns ein Englisch sprechender Japaner, scheint niemand Geld von uns zu wollen, weil wir “so spät” (zwischen 17 und 18 Uhr) angekommen sind. Einverstanden.

Wir werden dann doch noch eine ganze Stange Geld los, als wir uns für die Autofähre nach Sado entscheiden. Die Insel ist super schön, vulkanisch geprägt und mit interessanten Steinen und toller Natur. Angeblich finden hier lauter Festivals statt, aber es ist praktisch nix los dort (Plätze 3 und 4). Wir waren überhaupt überrascht. Dank der Obon-Ferien sei angeblich die halbe Nation auf den Beinen, aber wir haben nix davon mitgekriegt – bis auf den dicken Verkehr ganz am Ende beim Reinfahren nach Tokyo, aber das würde ich eigentlich an jedem Sonntag abend erwarten. Wir tummeln uns auf Sado also am Strand und im Meer. Leider genießen auch fiese Insekten das gleiche Habitat und machen uns mit Stichen an den unmöglichsten Stellen (wie sind sie da hin gekommen?) das Leben ein bisschen schwerer. Wir vermuten, dass der Name der Insel mit den Insekten in Zusammenhang steht. Bis 1989 gab es auf Sado Goldminen. Die Minenarbeiter waren hauptsächlich Kriegsgefangene, Sträflinge und Verbannte.

Witzig ist der als “Campingplatz” (5.) ausgeschriebene Ort, als wir wieder zurück auf Honshu sind: Es handelt sich einfach um eine etwas grasige und flache Stelle am Strand – mit Duschen rechnen wir ja schon nicht mehr, aber es gibt schlicht gar keine zugehörigen Wasch- und

Die Hauptattraktion ist wohl eindeutig der See - für manche aus der zweiten Reihe.
Die Hauptattraktion ist wohl eindeutig der See – für manche aus der zweiten Reihe. (6. Campingplatz)

Toilettengelegenheiten für uns. Aber direkt am Meer. Immerhin.

Ein Highlight unserer Tour ist die Sichtung eines Bären, direkt am Straßenrand. Wir hatten ja schon bei diversen Wanderungen Leute mit Bärenglöckchen gesehen (gehört); aber nicht so richtig dran geglaubt, dass wir ernsthaft Bären begegnen würden. Wir sind inzwischen ziemlich nördlich im Inland (6.) an einem wunderschönen Kratersee. Auch in dem ist schwimmen leider verboten.

Abendessen
Abendessen am Onogama-See (7. Campingplatz)

Die vorletzte Etappe führt uns in die Präfektur Fukushima – keine Angst, wir haben uns vorher über die Strahlengefahr informiert. Wir sehen uns noch vulkanische Seen am Fuss des Bandai-Berges an, die für ihre tollen Farben bekannt sind. Die haben sie dank der vulkanischen Mineralien. Auch ein toller Ort für einen Wochenendausflug. Denn

五色沼 - wörtlich: Der Fünf-Farben-Sumpf am Bandai-san
五色沼 – wörtlich: Der Fünf-Farben-Sumpf am Bandai-san

innerhalb von 3,5 Stunden sind wir wieder daheim. Bei Dusche. Und Bett. Und ohne Mücken. Trip Trip Hurra!