Pudeldamen

Nicht nur zu den Eltern im Viertel haben wir dank Lotte ein etwas intensiveres Verhältnis, sondern auch zu den Hundehaltern. Hunde haben hier oft Accessoire-Funktion, sind meistens klein und oft verkleidet. Lotte ist von allen Vierbeinern ziemlich begeistert, besonders von solchen, die kleiner sind als sie. Hundehalterinnen und ihre Tierchen sollen sich ja im Lauf der Zeit angleichen. Dazu gibt es auch einen kürzlich erschienenen Bildband. Davon völlig unabhängig, sind das auf jeden Fall unsere Lieblings-Pudeldamen in der Nachbarschaft.

Gullideckelästhetik

Vielleicht werde ich schon etwas sentimental, weil klar ist, dass wir nur noch 8 Monate in Japan leben, aber mir ist aufgefallen, dass in Japan selbst Gullideckel eine gewisse Schönheit und Gepflegtheit haben, die in anderen Ländern so nicht zu finden sind. Hier auf jeden Fall eine kleine Auswahl:

Alles, was kawaii ist

かわいい – süß, liebenswert, bezaubernd, niedlich, sexy – kawaii in Japan ist mehr als die Summe seiner Übersetzungen. Kawaii ist eine Kulturpraxis. Kleine Kinder, Kleidungsstücke, Kirschblüten, Käfer, Kätzchen, Klebebildchen, Roboter … Eigentlich kann alles kawaii sein, was mit genug Zuckerguss, Farbe oder Kindchenschema versehen ist. Klar, denkt Ihr, bei uns zieht auch alles, was irgendwie süß ist. Aber Japan ist auch in dieser Hinsicht noch ein wenig konsequenter.

In der japanischen Popkultur gibt es viele Kawaii-Idole. Japanische Mädchen pflegen gerne die “kawaii Lolita-Mode”, eine Mischung aus viktorianischer und Rokoko-Mode, kombiniert mit Gothic-Elementen, die an Porzellanpuppen-Ästhetik erinnert. Auch bei Erwachsenen sieht man mitunter ein ähnlich puppenhaftes Styling, wenn auch meistens nicht so pastellig bunt.

In sogenannten Maid Cafés fungieren Kellnerinnen in Dienstmädchenkostümen als Dienerinnen und behandeln Kunden wie ihre Meister statt wie Caféhausgäste.

Japanische Comics mit vielen Farben, großen Augen und kindlichen Proportionen heißen Kawaii-Mangas.

Die japanischen High-Tech-Helfer-Roboter müssen natürlich auch kawaii sein.

In der Bahn warnt ein kawaii Häschen davor, dir nicht die Finger einzuklemmen, Straßensperrungen werden ganz unironisch durch niedliche Pinguine aufgelockert. Sogar die Nierentabletten, die nach zuviel Alkoholgenuß Abhilfe verschaffen sollen, werben mit süßen Figürchen.

Das Besondere an kawaii in Japan ist seine Allgegenwart. Die Kawaii-Begeisterung macht keinen Halt vor Altersgruppen, Gesellschaftsschichten, Geschlechtern. Natürlich laufen hier nicht überall rosafarbene puppenhaft gestylte junge Mädchen rum und man wird auch nicht in jedem Laden von Bärchen-Maskottchen begrüßt, aber 60-jährige mit Hello-Kitty-Accessoires sind keine Sonderlinge und auch 14-jährige Jungs oder 70-jährige Rentner dürfen entzückt “kawaii” rufen, wenn sie zum Beispiel unsere Tochter erspähen. A bissl kawaii geht immer. Zumindest in Japan.

Japan 3.0

Dies ist unser Daruma. Daruma-Pappmache-Figuren sind beliebte Glücksbringer überall in Japan. Sie stellen einen buddhistischen Mönch dar. Die Figur hat deswegen keine Arme und Beine, weil der Mönch neun Jahre lang im Meditationssitz gesessen haben soll. Daruma schlief einmal beim Meditieren ein und soll sich über seine Nachlässigkeit so geärgert haben, dass er sich die Augenlider abschnitt. Eine weitere Eigenschaft von Daruma ist, dass er ein  Stehaufmännchen ist. Sein Unterteil ist mit einem Gewicht beschwert, damit er sich immer wieder aufrichten kann.

Damit Daruma einem einen Wunsch erfüllt, malt man zuerst ein Auge aus. Man stellt die Figur an einen Ort, an dem man möglichst oft vorbei kommt. Wenn der Wunsch in Erfüllung gegangen ist, wird das andere Auge ausgemalt. Wie Ihr seht, hat unser Daruma schon beide Augen ausgemalt. Seit Ende August erleben wir Japan 3.0 mit unserer Lotte.

Für die vür Jahreszeiten

“Wie herrlich ist’s doch im Frühling!
Im Frühling, da ist’s mir so wohl.
Oh wäre es immer nur Frühling,
Im Frühling, da ist mir so wohl
Der Frühling, der hat so was Eignes,
Der Frühling besitzet die Kraft.
Oh bliebe es immer nur Frühling,
Der Frühling gibt Mut uns und Kraft!”

Von Karl Valentin alias Korbinian Nasenlöchler

Für Sommer, Herbst und Winter ist je dieselbe Strophe durch Einsetzen der Jahreszeit vorzutragen.
Nachdem Korbinian Nasenlöchler drei Strophen durchdekliniert hat und beim Winter angekommen ist, wird er vom Publikum ausgepfiffen und muss seinen Liedvortrag abbrechen. Sein Kommentar: “Und gerade der Winter wäre so interessant gewesen!”

Einen gesamten Jahreszeitenzyklus haben wir jetzt schon in Japan ge- und erlebt. Es kann einem so vorkommen, als sei Japan das einzige Land, das vier Jahreszeiten vorzuweisen hat. Frühling, Sommer, Herbst und Winter werden je in ihrer Einzigartigkeit gefeiert, dass es eine Freude ist. Am bekanntesten ist wahrscheinlich das Feiern der Kirschblüte, das den Frühling und Neubeginn des Jahres einleutet. Die Menschen picknicken und trinken Sake unter den blühenden Kirschbäumen. Der Sommerhitze werden allerorten Festivals mit bunten Feuerwerken entgegengesetzt. Im Herbst wird das Ereignis des Blätterverfärbens groß zelebriert. So wie bei den Kirschblüten werden auch hier extra Ausfahrten zu besonders schöner Belaubung angeboten. Im Winter sind zumindest die Tokyoter stolz auf die umfänglichen Beleuchtungskunstwerke, die sich jedes Viertel ausgedacht hat.

Ist irgendwie ansteckend, diese Freude am Wandel der Natur. Wir wünschen Euch einen schönen Frühling, wenn er sich in Deutschland zeigt!