Japan 3.0

Dies ist unser Daruma. Daruma-Pappmache-Figuren sind beliebte Glücksbringer überall in Japan. Sie stellen einen buddhistischen Mönch dar. Die Figur hat deswegen keine Arme und Beine, weil der Mönch neun Jahre lang im Meditationssitz gesessen haben soll. Daruma schlief einmal beim Meditieren ein und soll sich über seine Nachlässigkeit so geärgert haben, dass er sich die Augenlider abschnitt. Eine weitere Eigenschaft von Daruma ist, dass er ein  Stehaufmännchen ist. Sein Unterteil ist mit einem Gewicht beschwert, damit er sich immer wieder aufrichten kann.

Damit Daruma einem einen Wunsch erfüllt, malt man zuerst ein Auge aus. Man stellt die Figur an einen Ort, an dem man möglichst oft vorbei kommt. Wenn der Wunsch in Erfüllung gegangen ist, wird das andere Auge ausgemalt. Wie Ihr seht, hat unser Daruma schon beide Augen ausgemalt. Seit Ende August erleben wir Japan 3.0 mit unserer Lotte.

Der Lappen ist unser

Die Erfolgsgeschichte des Tages: in nur 7.5 Stunden haben wir einen japanischen Führerschein erworben, davor hatten wir bloß eine Übersetzung die ein Jahr ab Einreise gültig ist. Auf dem Amt gehen 7 Stunden auf das Konto unseres Sitzfleisches, in der verbleibenden halben Stunde unternehmen wir eine kleine Odysee mit Antrag stellen, Foto machen (1), Dokumente einreichen, Zahlen, Sehtest, Foto machen (2) und Führerschein abholen.

Der kritische Punkt ist die Prüfung der Dokumente, denn man muss nachweisen, dass man nach dem Erhalt des deutschen Führerscheins mindestens 3 Monate in Deutschland wohnhaft war – sonst gilt es nicht (näh näh) und man muss eine echte Prüfung ablegen. Unsere wenigen zusammengeklaubten Dokumente wurden schließlich akzeptiert und wir damit happy. Der Rest war reine Formsache bzw. ein Geduldsspiel.

Hier die fröhlichen Gewinner:

Wunderlichkeiten und Hindernisse

Hier findet sich eine kleine Komposition an Wunderlichkeiten und Hindernissen, die wir in unserer kurzen Zeit in Japan erleben durften. Wir müssen diese schnell dokumentieren, bevor wir uns über gar nicht mehr wundern, weil vieles bereits zur akzeptierten Realität geworden ist.

Umzug

  • Die Liste von Dingen, die wir nicht in unseren großen, vom chinesischen und japanischen Zoll kontrollierten Luftfrachtkisten ins Land einführen durften, ist länger als die der Dinge, die uns als einführungswürdig einfallen. Nicht ins Land gebracht werden dürfen unter anderem Flüssigkeiten, Substanzen von pulveriger Beschaffenheit, Batterien und Pingpong-Bälle.
  • Bei jeder Lieferung von Kisten oder Möbeln wurden von den Lieferanten nicht nur die Schuhe an der Schwelle ausgezogen, sondern auch dicke Teppiche untergelegt, damit unser empfindlicher Parkettboden nicht leidet.
  • Selbiges Parkett ist auch der Grund dafür, dass unsere Stühle Socken tragen, die es eigens zu diesem Zweck zu kaufen gibt (Achtung: bei der Online-Suche nicht aus Versehen auf die Pudelsocken-Seite geraten, wie es Annika ergangen ist).

Transport

  • Wohnungspreise sind direkt abhängig von der Distanz zur nächsten Bahnstation. Alle Exposés geben deshalb Laufminuten an
  • Das U-Bahnnetz ist groß, wird aber von unterschiedlichen Firmen betrieben. Beim Umsteigen muss man dabei durch die diverse Bezahlschranken.
  • Die Bezahlschranken sind immer offen um möglichst schnell durchlaufen zu können. Hat man kein Ticket oder es kann nicht richtig gelesen werden, schließt die gepolsterte Schranke und man muss zum Station Master (peinlich, denn alle Pendler werden aufgehalten).
  • An belebten Stationen stehen Bahnangestellte in weißen Handschuhen um für Ordnung zu sorgen und Passagieren in den Zug zu helfen, auch wenn dieser schon voll ist. Am besten ist die Choreographie zur Kontrolle, ob die Passagiere am Bahnsteig den Sicherheitsabstand einhalten.

Bequemlichkeitsgeschäfte (Convenience Stores)

  • Finden sich an jeder Ecke und bieten Dinge des täglichen Bedarfs (Mangahefte, Businesshemden, Energydrinks).
  • Über Automaten, die in dem Laden stehen, erhält man Geld, Konzertkarten und kann seine Rechnungen bezahlen.
  • Um einen Eiskaffee zu bekommen, muss man einen versiegelten Becher mit Eis aus dem Gefrierfach holen, zur Kasse bringen und danach am Automat befüllen
  • Es wird viel frisches Essen angeboten, zum Teil komplette Mahlzeiten, die man direkt vor Ort in der Mikrowelle aufheizen kann
  • Baumkuchen. Ueberall Baumkuchen (in deutsch beschriftet). Warum kennen wir den aus Deutschland bloss nicht?
  • Vorsicht vorm Dosenregal: Japaner schwören auf Alkopops (z.b. Highballs). Was wir für eine Limo halten, kann sich schnell als hochprozentige Überraschung erweisen.

In der Apotheke

  • Bei verschreibungspflichtigen Medikamenten prüft der Apotheker akribisch die Identität des Kunden.
  • Der Empfang der Packungsbeilage (extra auf Englisch ausgedruckt) und das Wissen um Risiken und Nebenwirkungen muss mit Unterschrift quittiert werden.

Wohnen

  • Schwindelfreies Putzfachpersonal reinigen unsere Fenster im 24. Stock. Um unangenehme Überraschungen zu vermeiden, kündigt die Hausverwaltung das Reinigungsvorhaben über die Haussprechanlage an.
  • Unsere Türsprechanlage kann Emails empfangen und vor Erdbeben warnen. Manchmal gelingt es auch damit Besucher oder Lieferanten Einlass zu gewähren
  • Das Signal “Pet” am Fahrstuhl zeigt an, dass sich ein tierischer Fahrgast im inneren befindet

Seltsames Bankwesen

  • Jedes Bankkonto besteht aus einer Filialen- und einer Kontonummer. Bei Überweisungen o.ähnlichem muss man nicht die Filialennummer eingeben, sondern den Namen der Filiale in speziellen japanischen Zeichen (single-byte katakana).
  • Man erhält eine Bankkarte, die man nur dazu verwenden kann, Geld vom Automaten abzuheben, nicht aber um damit einzukaufen
  • Die Wunsch-PIN der Karte muss man bei der Kontoeröffnung unter den Augen des Bankangestellten auf den Antrag schreiben
  • Daueraufträge sind bei vielen japanischen Banken unüblich
  • Über ein kompliziertes Schema definiert sich der Kundenstatus: Premium, Gold oder Platin. Davon abhängig ist, wie viele kostenlose Überweisungen man durchführen kann
  • Eine Überweisung kostet sonst ungefähr 2,50 Euro

Essen

  • Kontinuierlicher Aufreger: im Restaurant sind Tische frei, aber man muss ich am Eingang mit Namen registrieren und brav abwarten, bis man aufgerufen wird
  • Preise werden gerne zur Kundentäuschung ohne Mehrwertsteuer angegeben
  • Ein feuchtes Handtuch in der Tüte (wer weiss wie lange es darin schon schwitzt) wird vor jedem Essen gereicht. Generell ist gerne alles zig-mal verpackt und man fragt sich wohin mit dem Muell

Apartmentaussichten: Ein Tag im Zeitraffer

Weltpremiere: eine Zeitrafferaufnahme aus unserer Bude vom 22. Mai. Die Kamera habe ich dazu hemdsärmlig auf unseren Balkon gestellt, wohl nicht ganz fest, denn das Bild hopst zwischendurch mal (oder schon wieder Erdbeben?!). Geplant waren 24 Stunden, aber der Akku hat bei der Frequenz von einem Bild pro fünf Minuten nicht durchgehalten. So sind es um 15 Stunden geworden.

Spannend finde ich den kurzen Sonnenuntergang. Auch kann man das Treiben auf dem Grillplatzes links unten gut erkennen.