Großstadtdschungeltipps

Da wir bald Besuch bekommen, mache ich mir schon Gedanken, welche Tipps und Empfehlungen einem in Shanghai weiterhelfen können:

1. Bewegt euch in Rudeln. Geht nur über die Strasse, wenn eine größere Gruppe Chinesen das auch tut. Den Ampeln ist nicht zu trauen. Bussen ist immer aus dem Weg zu gehen.

2. Schaut, in welche Richtung die Metro fährt. Steigt ganz vorne ein, da ist am wenigsten los.

3. Wenn ihr nicht vor jeder einzelnen Metrofahrt eure Taschen oder Rucksäcke durch das Röntgengerät schieben möchtet, lasst die Kontrolleure einfach einen kurzen Blick in euer Gepäckstück werfen. Das reicht meistens und ihr habt euch kooperativ gezeigt.

3. Auch wenn das dem allgemeinen Mobilgeräte-Autismus entgegen kommt: Für längere Metro-Fahrten ist es toll, sich ein bisschen auszuklinken und gute Musik über Kopfhörer zu hören. Und ich hab immer ein Fläschchen Parfum oder Handcreme dabei – auch geruchlich möchte ich mich ab und zu mal ausklinken.

4. Wenn euch auf dem Fake Market ein Preis angeboten wird: Zahlt maximal die Hälfte des erstgenannten Preises, eher ein Drittel. Und egal was sie sagen: Die Händler sind nicht “your friends”. Wenn verbale Verhandlungen nicht weiterführen: einfach weggehen, spätestens dann kommt man euch preislich entgegen.

5. Wenn ihr mit dem Taxi fahren wollt, steigt zuerst ein und sagt dann, was ihr wollt. Manchen ist die Strecke zu kurz oder das Kommunizieren zu anstrengend. Druckt euch die Adresse am besten vorher in chinesischen Zeichen aus oder lasst sie euch aufschreiben. Die wenigsten Taxifahrer werden euch verstehen.

6. Es ist leichter, an dem kleinen Wok-Ständchen auf der Straße ohne Englisch und Chinesisch klarzukommen als in einem kleinen Restaurant. Das Essen an den Ständen ist lecker und frisch und die Händler verstehen durch Zeigen, was die Kundin essen möchte.

7. Habt immer eine Packung feuchte Tücher dabei.

Wasn Shanghai?

Fragt man im Ausland nach deutschen Highlights, dann fällt bestimmt spätestens bei der dritten Aufzählung ‘the munich beerfest’. Oder falls sich der Gefragte an der deutschen Ausprache versucht, eben das ‘münsch beerfest’.

Wir wissen was gemeint ist (Toleranz!) und versuchen mit zunehmender Erschöpfung klar zu machen, dass es sich um eine bayrische Tradition handelt, nicht jeder (Freigerichter oder Ellwanger) Lederhosen und Dirndl im Schrank hat und warum wir im übrigen nicht die größten Fans des Sauffestes sind, und und und…

Und dann kommt eines Tages mein Werksleiter daher und freut sich, uns zu einem Shanghaier Oktoberfest einzuladen (O-Ton: ‘dem Besten von Shanghai’). Und plötzlich denkt man, eigentlich gar nicht so schlecht. Das Oktoberfest ist auf einmal doch ein wenig Heimat.
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Eine gesunde Gruppendynamik unter Kollegen macht’s möglich, dass ruck-zuck ein entsprechendes Outfit organisiert wird – beim chinesischen Pendant zu Ebay >Taobao< bekommt man fast alles (auch Tiernahrung). Ok, unsere Lederhosen sind ein derbes Imitat, etwas zu groß, sehen aber ganz ansehnlich aus. Annika wurde dank rechtzeitiger Ankündigung mit deutscher Qualitätsware eingekleidet (Danke, Inge!). Und das als einzige unserer Gruppe – die Männers entzückt. Daumen hoch!
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Die Veranstaltung wird seit Jahren vom Renaissance Hotel organisiert und standesgemäß im Zelt ausgetragen. Bereits davor knallen knackige Knaben im Rhythmus mit Peitschen zur Quetschkommode, um die Besucher auf das derbe B(r)auchtum einzustimmen. Dirndl-Chinesinnen stellen sicher, dass man an die gebuchte Bierbank findet. Der Service – wie so oft in China – sehr gut: Kaum hebt man die Hand, kommt schon im Austausch eines Gutscheins ein Bierchen angeflogen. Nein, es gibt keine Maßkrüge – nur Halbe sind im Auschank, ist bestimmt auch besser so.

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Am Büffet befinden sich bekannte, aber vermisste Köstlichkeiten: Rippchen, Sauerkraut, Fleischwaren in allen Varianten, Brezn und Apfelstrudel. Lecker und All you can eat! Warum nicht öfters so?

Die gefüllten Laiber wollen nach dieser Kur und durch das nächste Bierchen motiviert auf die Bänke gehievt werden: Tanz ist angesagt. Doch das verräterische Ächzen lässt chinesische Qualität vermuten und die ‘festeren’ Gäste werden auf stabilere Bankpositionen manövriert. Puh, Unglück verhindert!

Auf der Zeltbühne gibt es abwechselnd musikalische Darbietungen (u.a. Schuhplattlertänze) und Spiele – wie einfallsreich  – Wetttrinken! In regelmäßigen Abständen schallt ein “Yi, er, san… gan bei!” durch die Menge: Kommando zum Bechern. ‘Gan  bei’ heißt wörtlich trockener Becher und ordnungsgemäßer Weise müsste man daraufhin den Becher leeren. Das ist auch des Rätsels Lösung, warum in chin. Lokalen die Biergläser meist kleiner sind als die bekannten Kölsch-Gläser.

Erwähnt werden soll in diesem Artikel noch mein chinesischstämmiger Kollege Tao: 10 Jahre Schwaben haben ihn – man glaubt es kaum – zum Schwaben gemacht. Auf wundersame Weise hat er, als alle schon längst ihr Kontigent aufgebraucht hatten und der Zapfenstreich bereits gespielt war (Punkt 23 Uhr), ein Bier nach dem anderen hervorgezaubert. Ob da wohl ordentlich guanxi (Beziehungen) im Spiel waren? – Heute lässt sich das nicht mehr lückenlos rekonstruieren… Wie dem auch sei, in jedem Fall hat uns der Gute über dürstige Zeiten gerettet.

Xiexie dafür sagt:
Euer Strietzl

Nachtrag: Der Autor hat bei diesem Artikel besonderen Spaß am Gebrauch dt. Ümlaute gehabt. In seinem Alltag sind diese dank besönderer Ümstände leider weit in den Hintergründ geraten. Pröst!