Jungfernfahrt mit betagtem Mobil

image

Nach harter Behördenarbeit ist es uns gelungen, unsere Beweglichkeit auf vier Rädern herzustellen. Ein in die Jahre gekommener Nissan X-Trail wird uns hoffentlich an alle uns erträumten Ziele bugsieren.

Der heutigen Spritztour vorausgegangen ist folgendes Prozedere:
1. Führerscheine beim hiesigen ADAC-Äquivalent ins Japanische übersetzen lassen
2. Namens-Siegel anfertigen lassen  (vergleichbar mit der Unterschrift im Rest der Welt)
3. Namens-Siegel registrieren
4. Parkplatz anfragen
5. Frage nach Fahrzeuggröße beantworten
6. Absage für Parkplatz kassieren
7. Mehrmals nachfragen
8. Parkplatz (in der richtigen Größe) zugeteilt bekommen
9. Miete des Parkplatzes anleiern (kostet ca. 250€)
10. Formular zur Parkplatzregistrierung bei der Polizei abholen
11. Parkplatzmietvertrag, Parkplatzskizze, Namens-Siegel-Registrierung und ausgefülltes Formular zur Polizei bringen und ca. 20€ löhnen
12. Parkplatzregistrierung nach drei Tagen bei Polizei abholen
13. Auto, Parkplatz Registrierung, Abgasuntersuchungsunterlagen, Steuerbescheinigung, Personalausweis, Siegel, Siegel Registrierung, Dokument zum Fahrzeugtransfer, Dokument zur Fahrzeugveräußerung zum Amt für Transport bringen. Dort zu drei verschiedenen Schaltern, Dokumente ausfüllen und bezahlen, Nummernschilder selbst gegen neue Tauschen. Beim Plombenmann vorfahren und die neuen Schilder verplomben lassen.
14. Lernen wie der Stapel-Hebe-Sonstwas-Parkplatz funktioniert (3 Autos neben-, 4 übereinander werden über einen Puzzlemechanismus die Ausfahrt ermöglicht)
15. Freiwillige Versicherung abschließen
16. Endlich losdüsen dürfen

Unsere Erstlingstour führt uns über Mautstrassen (mit elektronischer Zahlung) durch das nahegelegene Mittelgebirge mit einsamen Strassen und vielen Kurven. Am Ende wartet ein lecker entspanntes Curry-Restaurant auf uns.

Wochenendausflügen steht nun nichts mehr im Wege und im August planen wir einen bereits einwöchigen Roadtrip durch Honshu (die Insel auf der Tokio liegt).

Auf allzeit gute (Links-) Fahrt!

Frohe Weihnachten aus Taiwan

Dieses Jahr verbringen wir die Weihnachtstage auf der Insel Taiwan. Taipei ist ca. zwei Stunden von Shanghai entfernt und deshalb super für uns zu erreichen. Wir sind bisher begeistert von der Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit der Menschen. So hat man uns ohne Aufforderung den Weg erklärt… und das auf Englisch. Natur und Küste sind einfach per Metro zu erreichen.

Eine Sache stört uns dennoch: die Myriaden von Motorrollern, die das Stadtbild und -Geräusch dominieren. Hier hat Shanghai eindeutig die Nase vorn, denn dort dürfen nur Elektoroller benutzt werden.

Unser Weihnachtsabend verlief geplant ungeplant. Nach zweistündiger letztlich erfolgreicher Nahrungssuche (vegetarisch sollte sie sein) haben wir durch Zufall eine Kirche mit futuristischem Neonkreuz entdeckt. Die Messe war bereits vorüber, doch der kongolesische Pfarrer hat uns noch spontan den Segen gegeben und erklärt, warum in der Krippe das Jesuskind fehlt.

image

Auch hier kämpft man mit kulturellen Unterschieden. Dem Krippen-Verantwortlichen war schlicht die Wichtigkeit dieser einen Figur nicht bewusst. Unsere wie auch des Pfarrers Strategie: solche Fälle mit Humor zu nehmen. So hatten wir doch noch einen vergnüglichen Heiligabend. Viele Grüße aus Taipei. Wir wünschen Euch ebenso schöne Feiertage!

Big in Tschäpän: Anni und Chrissi besuchen die Nachbarn

Sommerzeit – Urlaubszeit, Anni und Chrissi wollen auch mal abspannen. Während China den siebzigjährigen Jahrestag zur Kapitulation Japans feiert, erobern wir genau diesen Inselstaat mit dem Rucksack auf dem Rücken auf unsere Weise.

Hier unser Ratatouille an gedanklichen und fotografischen Erinnerungen:

‌1. Schläppchen-Country

Japan ist das Land der Schläppchen. Auf jeden Einwohner kommen viele hundert Paare. Das liegt daran, weil an jeder Türschwelle das Schuhwerk gewechselt wird. Also beim Eintreten in eine Wohnung, vor dem Schlafzimmer und vor der Toilette. Eine kleine Schwierigkeit besteht darin, die Schläppchen wieder in Schlüpfrichtung beim Verlassen des Schläppchenbereichs abzustellen. Natürlich geht das auch per Hand, der Connaisseur vermag es jedoch mit einem gekonnten Fußkunststück!

image

2. Mülleimer-Wahnsinn

Eine tolle japanische Erfindung zur Müllvermeidung ist die Nicht-Bereitstellung von Mülleimern. Viele Kilometer mit den Taschen voller Unrat haben wir auf unserem Urlaub zurückgelegt, ohne ein geeignetes Behältnis zu finden. Mülleimer scheinen auf verstörende Weise nahezu komplett aus dem Land verbannt. Die Abfalleimerabstinenz treibt sogar solche Blüten, dass weibliche Besucher aufgefordert werden, alle (!) sanitären Abfälle wieder mit zu nehmen und anderorts zu entsorgen.

image

Hat man nach langem Suchen mit viel Glück und in größeren Städten dann noch ein Plätzchen zur Abfallbeseitigung gefunden, heisst es sortieren: brennbare, nicht brennbare, Kunststoff- und Dosenabfälle werden separiert. Die Komplexität des Systems steht der deutschen Trennpraxis in nichts nach.

Eine andere Erklärung fuer den Mülleimermangel ist die Angst vor Terroranschlägen, wie der, der 1995 auf die Tokioter U-Bahn ausgeübt wurde.

3. Automaten-Pandemie

Automaten gibt es ungelogen an jeder Straßenecke von Osaka und Tokyo. Unabhängig davon, ob direkt daneben ein Kiosk ist, stehen die blinkenden Dinger ständig bereit. Sie versorgen den durstigen Kunden mit unzähligen Kaltgetränken, darunter einige Eis-Kaffeesorten, wovon wir die Geschmackvollste noch nicht gefunden haben.
image

Den Automat am ungewöhnlichsten Aufstellort fanden wir in einer Berghütte auf über 2000m. Immerhin ist man dem Wirt keine Rechenschaft schuldig, wenn man schon wieder Bier kauft ;-)

Einen seltsamen Bezahlautomat haben wir bei einem Friseurbesuch benutzt. Man bezahlt einen Einheitspreis (glaube geschlechterspezifisch), bekommt einen Bon und geht damit zum Friseur. Vielleicht ist das Mißtrauen gegenüber der Belegschaft zu hoch?! – Wir finden’s quatsch.

4. Knoff-Hoff

Die Japaner sind allgemein für ihre Technikversessenheit bekannt, dieses Klischee können wir nun voll nachvollziehen. Zum Teil fühlt man sich an die Oma erinnert, die im Hühnerstall Motorrad fährt und einen Nachttopf mit Beleuchtung ihr eigen nennt. Hier ein paar Beispiele:

  • Die Taxitür öffnet automatisch. Bitte nicht per Hand bedienen.
  • Der Seifenspender muss nicht gedrückt werden, er spuckt bei Näherung Schaum.
  • Das Waschbecken hat ein integriertes Händetrockensystem. Hände nach vorne links: Seife. Hand nach vorne rechts: Wasser, Hand nach hinten Luft.
  • Die Toilettensitze kennen die meisten schon. Heizung und Wasserdusche sind Standard. Als Extra gesehen: Musikeinspielung und auch mit Fernbedienung (sonst am Sitz montiert).
  • Man erzählte uns zudem von Kühlschränken mit Vakuum-Fach und unterschiedlichen Temperaturzonen. Es soll Bekannte geben, die sich auf ihrem Japan-Urlaub stundenlang in Elektronik-Kaufhäusern rumdrücken, um zu erkunden was der letzte Schrei im Techniksektor ist.
  • Nicht High-Tech, aber so brilliant weil naheliegend: Auf dem Toilettenspülkasten ist ein direkt ein einfaches Waschbecken integriert. Läuft das Wasser nach dem Spülvorgang nach, kommt es aus dem Hahn und man kann sich sofort darunter die Händewaschen.
  • Auch gut: unterschiedlich tief hängende Halte-Griffe in der U-Bahn bedeutet keine Diskriminierung von Großwüchsigen.

5. First Safety Country

Japaner sind auf Sicherheit bedacht. An vielen Orten werden Vorkehrungen getroffen, um Unfälle zu vermeiden. Soweit so gut. Manchmal wirkt das allerdings etwas übertrieben und pedantisch und man fragt sich, ob man von einem erwachsenen Menschen nicht mehr eigenständige Vorsicht erwarten kann.

Die Krönung im Stadtbild sind Sicherheitsbeauftrage die dafür Sorge tragen, dass Baustellen oder Einfahrten auch wirklich sicher sind. Mit Lichtschwertern bedeuten sie den Verkehrsteilnehmern, zu warten oder ihre Reise fortzusetzen. Wir beobachteten einen Bauarbeiter, der ein Rohr über die Straße trug.  Tatsächlich befand sich an beiden Enden ein Lichtschwertkämpfer, um diese gefährliche Situation zu entschärfen. *Puh*.image

Weitere Sicherheitsfeatures:

  • Die Aufzüge haben neben der üblichen Störungsanzeigen auch eine für Erdbeben.
  • Die Feuerlöscheinrichtungen in Hotels sind durch ein stets leuchtendes Licht extra deutlich gekennzeichnet.
  • Beim Halt auf einer ebenen Raststätte legt der Fahrer des Reisebusses Keile gegen Abrollen unter die Räder.
  • Auf öffentlichen Toiletten gibt es für Bedürfnishabende mit Kleinkind einen ausklappbaren Kindersitz.

Besuch, Besuch, Besuch!

Die Sommermonate bescheren uns den Luxus, gleich zweimal Besuch hier in Shanghai empfangen zu dürfen. Meine Schwester Tina und ihr Freund Lothar sind schon wieder zurück im idyllischen Berlin.
image

Wenn ich Besuchern das inzwischen Gewohnte zeige, sehe ich alles nochmal mit neuen Augen. Es fällt mir wieder auf, wie laut die Leute sind und wie viele! Die beiden haben weitgehend auf eigene Faust Shanghai erkundet und wir haben gemeinsam ein paar Ausflüge gemacht, eine Wandertour mit unserer Outdoorgruppe und die Kaiserstadt Xi’an mit Terrakotta-Armee und Wandern in den nahen Bergen.

Selbst nach ein paar Tagen Shanghai war für die beiden nachvollziehbar, wie wichtig es für uns geworden ist, regelmäßig Natur zu tanken – auch wenn es unter chinesischen Umständen ist, d.h. mit Menschenmassen und Treppenstufen (für Stöckelschuhe etc.).
image

Nach dem Besuch ist vor dem Besuch: Wir freuen uns jetzt auf Wendelin und Helga!