Überraschungbesuch auf Nii-jima Island

Wer schon mal eine Karte in der Hand gehabt hat, wird wissen, dass Japan aus einer großen Zahl Inseln besteht. Die dichtbesiedelsten vier sind Hokkaido, Shikoku, Kyushu und Honshu, auf welcher Tokio ist. Daneben gibt es noch 426 weitere bewohnte und in Summe 6852 Inseln (dabei sind nur die gerechnet, die mindestens 100m Umfang haben).

Niijima gehört zu den bewohnten Inseln und liegt ca. 150km südlich von Tokio. Anlässlich meines Geburtstages im Jahr 2016 hat sich Annika die Mühe gemacht, einen Ausflug dorthin zu organisieren. Durch strenge Geheimhaltung wusste ich nur, dass ich mir an besagtem Wochenende nichts vornehme dürfe. Ich war gespannt wie ein Flitzebogen, als Annika mich freitags abends in aufwendigem Zickzack mit der U-Bahn zum Hafen manövrierte. (Eine Auflage war, dass ich erst heute davon berichten darf :)

Wir waren nicht alleine am Pier. Hunderte Ausflügler hatten sich bereits eingefunden und die Urlaubsatmosphäre war allgegenwärtig. Um 23 Uhr legte das Schiff aus den Tiefen der Tokioter Bucht ab, vorbei an einigen von Tokios Wahrzeichen, wie der Rainbow Bridge und dem Flughafen Haneda, dessen Landebahn ins “Wasser” gebaut wurde.

Auf den verschiedenen Decks suchten sich die Ausflügler ihr “Plätzchen” – standesgemäß organisiert, wie wir es nun schon von unseren Gastgebern gewohnt sind. Einige Gruppen organisierten große Fressgelage (gäbe es kein Verbot, wäre sicher gegrillt worden!) und natürlich wurde auch gebechert. Wer sich nicht zuvor eingedeckt hatte, konnte sich am Bierautomat bedienen – nachdem per Ausweis die Volljährigkeit bestätigt wurde. An einem anderen Automat konnte man Pommes und Hamburger ordern – wer kennt noch heiße Hexe?

Annika hatte deluxemäßig für uns eine Koje gebucht, so konnten wir eine Mütze Schlaf tanken. Die Fähre stoppt bereits um 4 Uhr morgens an der ersten Insel (Oshima), um die Passagiere abzuladen. Damit auch jeder informiert ist, wird dies über eine hervorragende Lautsprecheranlage kundgetan, die wirklich keiner überhören kann *knirsch*.

Auf Nijima angekommen mussten wir unsere Miet-Fahrräder aufpumpen, denn wieso sollte der Vermieter sich die Mühe machen und sich um die alten Rostgurken selbst kümmern? Eine knappe halbe Stunde später sind wir im Tross der Tokyo Gaijin Gruppe am weitläufigen Campingplatz angekommen und suchen uns ein schönes Plätzchen.

Der Strand ist nicht weit und ein bekanntes Revier für Surfer. Die Brandung ist entsprechend stark – super, um ein paar ungraziöse Sprünge in die Wellen zu üben. Der Strand wurde später nochmal Gegenstand eines ungewöhnlichen Lagerfeuers. Ungewöhnlich weil a) die Organisatoren Glut vom Campingplatz an den Strand trugen (500m) b) für dieses Unterfangen eine nicht ganz feuerfeste Pappe benutzen (alle 50m ein Stopp, Glut zusammenschippen, weiter humpeln) und c) das Lagerfeuer keine 30 Minuten loderte, bevor ein Polizist kam und diese Aktivität untersagte. Viel Aufwand um nichts also, aber lustig.

Die Insel gefällt uns sehr gut, die Temperaturen sind deutlich höher als in Tokio um diese Jahreszeit, der Rhythmus um einige Takte langsamer, die wenigen Attraktionen auf den vorgenannten Gurken erradelbar.

Das Highlight schlechthin ist das Rotemburo – ein Freiluft-Onsen (heisse Quelle) direkt am Meer an einer karstigen Felsküste. Dort kann man 24 Stunden(!) unkontrolliert(!) dem warmen Wasser frönen. Auch deshalb interessant, weil ausnahmsweise Vertreter beiderlei Geschlechts & sogar Tätowierte im selben Wasser dünsten dürfen. Beides in gewöhnlichen Onsen undenkbar.

Ebenso fasziniert hat uns eine ortsansässige Glasbläserei, die lokales Gestein zu Kunstwerken aus Glas verarbeitet. Das Glas hat einen charakteristischen Grünstich und wird auf der Insel auch als Kilometermarker (siehe Bild) eingesetzt.

Auf der Nachbarinsel konnten wir bei einem Tagesausflug noch schöne Buchten mit kristallklarem Wasser und farbenfrohen Fischen bewundern (schnorchelnd). Bei einem kurzen Hike erklommen wir ausserdem den höchsten Punkt der Insel.

Im Resümee ein top Ausflug aus dem Tokioter Grau mit den sinkenden Herbsttemperaturen uns natürlich eine super Geburtstagsüberraschung. Highly recommended!

Sprachprüfung Japanisch

Nur ein schlappes Jahr Japanischpauken und ich fühle mich gewappnet, die unterste Stufe der Japanisch-Sprachprüfung mitzumachen. Der Test, den ich ablege, ist der Standardtest für alle möglichen Nichtmuttersprachler und wird zwei Mal im Jahr in Japan und im Ausland veranstaltet. Es gibt fünf Stufen – ich lege die Stufe Nummer 5 ab.

Die Prüfungen finden über ganz Tokio verteilt in Uniräumen statt. Der Verteilungsschlüssel scheint nichts mit dem Wohnort zu tun zu haben, denn der mir zugeteilte Campus ist mit der Metro anderthalb Stunden von unserem Wohnort entfernt. Schon von der Endhaltestelle bis zur Uni sehe ich auffällig viele Nichtjapaner, es wirkt wie eine kleine Pilgerung. An entscheidenden Stellen sind Helfer mit Schildern aufgstellt, die Auskunft geben, wo es zum Sprachtest geht.

Auf dem Campus dann sehe ich Hunderte Inder. Anscheinend ist dieser Test sehr wichtig für in Japan lebende Inder; ganze Familien kommen gemeinsam an, um ihn abzulegen.

Auf dem Tisch im Hörsaal liegen dürfen ausschließlich die Testanmeldung (mit Foto), ein Bleistift, ein Spitzer ohne Hülle und ein Radiergummi ohne Hülle. Es gibt einen Aufgaben- und einen Antwortbogen. Auf letzterem muss man die Kreise für die richtige Multiple-Choice-Antwort mit Bleistift ausmalen. Das alles wird maschinell ausgewertet. Um zu bestehen, muss man in jeder der drei Sektionen (Vokabeln, Lesen/Grammatik und Hörverstehen) über 60% richtig haben.

Vor jedem einzelnen Testteil wird erklärt, was erlaubt ist und was nicht (es gibt gelbe und rote Karten für Fehlverhalten). Außerdem wird vor jedem Testteil die Anmeldenummer, das Prüflingsfoto und dessen Gesicht miteinander verglichen. Drei (!) Aufsichtspersonen überwachen den Prozess. Das hinderte eine junge Inderin nicht daran, jedes Mal nach dem Abpfiff einfach weiterzuschreiben. Als die (geschätzt 19-jährige) Aufsichtsperson sie beim zweiten Mal dabei erwischt hatte, hätte es eigentlich die rote Karte und damit den Testabbruch geben müssen. Tatsächlich war das Auffliegen augenscheinlich viel, viel unangenehmer für die Aufsichtsperson als für die unehrliche schulterzuckende Testablegerin, so dass die anfangs als unerbittlich angekündigte Strafe gar nicht durchgesetzt wurde. Anscheinend ist der Test nicht nur für die Ausländerinnen eine Herausforderung, sondern auch für die Japanerinnen, die sich dieser Kulturenschnittstelle stellen müssen.

Nach 4 Stunden Prüfung mit kleinen Pausen und langen Erklärungen zwischendrin durften wir dann wieder die Pilger-Heimreise antreten, zurück in ein Japan, in dem mir kaum Inder begegnen und (fast) jeder sich an die vorgegebenen Regeln hält.

Touristin in Deutschland

Auf unserem Deutschlandtrip kam mir als Touristin aus Japan einiges ganz schön spanisch vor. Ich hab meine kulturellen Verwirrungen auf der Deutschlandreise mal notiert:

Die Leute, insbesondere die im Servicebereich, scheinen mir extrem unhöflich. Ich komme in einen Kiosk. Die Dame hinter dem Tresen erhebt sich nicht, verbeugt sich nicht, begrüßt mich nicht, bedankt sich nicht für meinen Besuch. Undenkbar in Japan.

‌Auffällig, dass einem andererseits – zumindest im Schwäbischen – bei fast jedem Abschied ein schöner Tag gewünscht wird. Das passiert uns in Japan nicht.

‌Ich genieße es, dass ich mich in Deutschland in einem Lokal einfach hinsetzen kann, wo ich will, ohne auf die Anweisungen des Servicepersonals warten zu müssen.

‌Mann, sind die Züge leer hier. Und unpünktlich.

Yay, hier gibt es überall Mülleimer. Irre, worüber sich Exilanten freuen.

Es gibt in Deutschland zwar viele Toiletten, aber für die meisten muss ich zahlen (in Japan sind die umsonst) und sie sind viel schmutziger als die japanischen.

‌Die Leute schauen mich direkt an, scheuen keinen Augenkontakt, sondern gucken mich unverhohlen, unverstohlen an. Das bin ich gar nicht mehr gewohnt.

‌Ich fühle mich in Deutschland ganz normal groß und dünn und werde auch so wahrgenommen. Angenehm, nicht ständig mit meiner “Überdimensioniertheit” konfrontiert zu werden.

‌Die Menschen in Deutschland scheinen mir vielfältiger. Nicht nur in Hinblick auf die Ethnien, aber auch, was Frisuren, Kleidungsstile etc. angeht.

‌Deutsche Bäckereien sind wahrscheinlich die besten der Welt. Ich und die meisten anderen Exildeutschen vermissen sie völlig zu Recht.

‌Hier ist es generell ganz schön schmutzig – im Vergleich zu Japan (und ganz schön gepflegt im Vergleich zu China).

In Japan wird sich ständig entschuldigt, ob ich jemanden ansprechen möchte, ein Zimmer betrete oder aus Versehen jemanden schubse – die diversen Entschuldigungsfloskeln sind allgegenwärtig. Jo, in Deutschland wird sich vielleicht einen Tick zu wenig entschuldigt. Gerade im letzteren Fall.

Für die vür Jahreszeiten

“Wie herrlich ist’s doch im Frühling!
Im Frühling, da ist’s mir so wohl.
Oh wäre es immer nur Frühling,
Im Frühling, da ist mir so wohl
Der Frühling, der hat so was Eignes,
Der Frühling besitzet die Kraft.
Oh bliebe es immer nur Frühling,
Der Frühling gibt Mut uns und Kraft!”

Von Karl Valentin alias Korbinian Nasenlöchler

Für Sommer, Herbst und Winter ist je dieselbe Strophe durch Einsetzen der Jahreszeit vorzutragen.
Nachdem Korbinian Nasenlöchler drei Strophen durchdekliniert hat und beim Winter angekommen ist, wird er vom Publikum ausgepfiffen und muss seinen Liedvortrag abbrechen. Sein Kommentar: “Und gerade der Winter wäre so interessant gewesen!”

Einen gesamten Jahreszeitenzyklus haben wir jetzt schon in Japan ge- und erlebt. Es kann einem so vorkommen, als sei Japan das einzige Land, das vier Jahreszeiten vorzuweisen hat. Frühling, Sommer, Herbst und Winter werden je in ihrer Einzigartigkeit gefeiert, dass es eine Freude ist. Am bekanntesten ist wahrscheinlich das Feiern der Kirschblüte, das den Frühling und Neubeginn des Jahres einleutet. Die Menschen picknicken und trinken Sake unter den blühenden Kirschbäumen. Der Sommerhitze werden allerorten Festivals mit bunten Feuerwerken entgegengesetzt. Im Herbst wird das Ereignis des Blätterverfärbens groß zelebriert. So wie bei den Kirschblüten werden auch hier extra Ausfahrten zu besonders schöner Belaubung angeboten. Im Winter sind zumindest die Tokyoter stolz auf die umfänglichen Beleuchtungskunstwerke, die sich jedes Viertel ausgedacht hat.

Ist irgendwie ansteckend, diese Freude am Wandel der Natur. Wir wünschen Euch einen schönen Frühling, wenn er sich in Deutschland zeigt!

Sumo

Vergangenen Sonntag hatten wir das Vergnügen und die Ehre, live im Stadion ein Freundschaftsturnier des weltberühmten und hoch ritualisierten Ringkampfes (ausgesprochen hier übrigens wie “Smoo”; hartes s, nur gehauchtes u, langes o) anzusehen. Es hat erstaunlich viel Spaß gemacht und im Stadion war eine überraschend gelöste Atmosphäre. Nach relativ kurzer Zeit hatten wir auch einen Favoriten gefunden, Takanoiwa Yoshimori, der es bis ins Finale geschafft hat.

Das Podest, auf dem sich der Ring befindet, ist aus einem speziellen Lehm gemacht, die Oberfläche ist mit Sand bestreut. Nachdem die beiden Kontrahenten das Podest besteigen, werden erstmal verschiedene Rituale durchgeführt. Erst wird Salz in den Ring geworfen, um Dämonen zu vertreiben und den Ring zu reinigen. Die Sumo-Ringer positionieren sich immer wieder einander gegenüber, ohne dass der eigentliche Kampf los geht. So ganz geblickt haben wir die Rituale auch nach 50 gesehenen Kämpfen nicht, aber das nimmt dem Zusehen nichts an Vernügen. Der Kampf beginnt, wenn die “Luft” zwischen den beiden “stimmt”, das entscheiden die Kämpfer.

Wir haben bei unserem Turnier keinen Kampf über 20 Sekunden gesehen. Es verliert der Kämpfer, dessen Körperteil (Zeh, Arm, Nase, egal) zuerst den Boden außerhalb des Rings berührt oder der innerhalb des Rings den Boden mit etwas anderem als seinen Füßen berührt.

​Was beim Sumo nicht erlaubt ist: Haare ziehen, treten, Bein stellen, spucken, ohrfeigen, den Gegner am Wickel (der Gürtel heißt Mawashi) hochheben, Kopfnüsse, dem Gegner auf den Hintern klatschen uvm. Beim Comedy-Sumo, auch ein Teil dieses Freundschaftsturniers, wurden alle diese No-Gos einmal humoristisch vorgeführt.

Faszinierend, dass diese Sportart ihren Ursprung im figurbewussten Japan hat und die Kämpfer dort wie Helden verehrt werden. Die meisten Sumo-Ringer sind übrigens sehr muskulös und beweglich. Einer der Komiker-Sumos hat aus dem Stand mal eben so einen Spagat gemacht.

Der Sieger des Turniers war in diesem Fall übrigens Kisenosato Yutaka, der erst diesen Januar zum Großmeister oder Yokuzuna ernannt wurde. Die Ernennung eine große Sache, da er der erste in Japan geborene Yokuzuna seit 19 Jahren ist. Für seinen Erfolg bekam er von den Sponsoren des Turniers eine Tonne (!) Rindfleisch, ein Fass Reis und eine Klimaanlage.

Das Finale des Tourniers. Rechts Großmeister Kisenosato, links unser Favorit Takanoiwa. Die Banner, die am Anfang um den Ring getragen werden, sind Werbung.