Sprachprüfung Japanisch

Nur ein schlappes Jahr Japanischpauken und ich fühle mich gewappnet, die unterste Stufe der Japanisch-Sprachprüfung mitzumachen. Der Test, den ich ablege, ist der Standardtest für alle möglichen Nichtmuttersprachler und wird zwei Mal im Jahr in Japan und im Ausland veranstaltet. Es gibt fünf Stufen – ich lege die Stufe Nummer 5 ab.

Die Prüfungen finden über ganz Tokio verteilt in Uniräumen statt. Der Verteilungsschlüssel scheint nichts mit dem Wohnort zu tun zu haben, denn der mir zugeteilte Campus ist mit der Metro anderthalb Stunden von unserem Wohnort entfernt. Schon von der Endhaltestelle bis zur Uni sehe ich auffällig viele Nichtjapaner, es wirkt wie eine kleine Pilgerung. An entscheidenden Stellen sind Helfer mit Schildern aufgstellt, die Auskunft geben, wo es zum Sprachtest geht.

Auf dem Campus dann sehe ich Hunderte Inder. Anscheinend ist dieser Test sehr wichtig für in Japan lebende Inder; ganze Familien kommen gemeinsam an, um ihn abzulegen.

Auf dem Tisch im Hörsaal liegen dürfen ausschließlich die Testanmeldung (mit Foto), ein Bleistift, ein Spitzer ohne Hülle und ein Radiergummi ohne Hülle. Es gibt einen Aufgaben- und einen Antwortbogen. Auf letzterem muss man die Kreise für die richtige Multiple-Choice-Antwort mit Bleistift ausmalen. Das alles wird maschinell ausgewertet. Um zu bestehen, muss man in jeder der drei Sektionen (Vokabeln, Lesen/Grammatik und Hörverstehen) über 60% richtig haben.

Vor jedem einzelnen Testteil wird erklärt, was erlaubt ist und was nicht (es gibt gelbe und rote Karten für Fehlverhalten). Außerdem wird vor jedem Testteil die Anmeldenummer, das Prüflingsfoto und dessen Gesicht miteinander verglichen. Drei (!) Aufsichtspersonen überwachen den Prozess. Das hinderte eine junge Inderin nicht daran, jedes Mal nach dem Abpfiff einfach weiterzuschreiben. Als die (geschätzt 19-jährige) Aufsichtsperson sie beim zweiten Mal dabei erwischt hatte, hätte es eigentlich die rote Karte und damit den Testabbruch geben müssen. Tatsächlich war das Auffliegen augenscheinlich viel, viel unangenehmer für die Aufsichtsperson als für die unehrliche schulterzuckende Testablegerin, so dass die anfangs als unerbittlich angekündigte Strafe gar nicht durchgesetzt wurde. Anscheinend ist der Test nicht nur für die Ausländerinnen eine Herausforderung, sondern auch für die Japanerinnen, die sich dieser Kulturenschnittstelle stellen müssen.

Nach 4 Stunden Prüfung mit kleinen Pausen und langen Erklärungen zwischendrin durften wir dann wieder die Pilger-Heimreise antreten, zurück in ein Japan, in dem mir kaum Inder begegnen und (fast) jeder sich an die vorgegebenen Regeln hält.