China oder Italien: Familie Schmitt auf Reisen

Meine Eltern haben es schwer in den letzten Jahren. Ihr Nachwuchs wird mehr als flügge. Die eine verkroch sich kürzlich im sambischen Busch, der andere schon geraume Zeit am Weißen Stein und der Mittlere versucht seit einem Jahr sein Glück in Fernost. Gut, dass genügend Mumm und Aufgeschlossenheit vorhanden sind, um der Kindlein temporäre Heimat zu besuchen. Also auch China.

Im April ist es dann soweit, Landung im vermeintlichen Paris von Fernost – Shanghai. Überraschenderweise ist gar nicht so viel neu und ungewöhnlich, erinnert doch einiges an Italien in den siebziger Jahren: Die Wohnblocks, die Lautstärke, der Straßendreck, die Raucher. Nur tragen die Leute keine engen Badehosen und sind etwas schwerer verständlich.

Unerwartet waren allerdings die Akklimatisierungshürden bezüglich des Essbestecks. Annika und ich benutzen mittlerweile Stäbchen so gewöhnlich wie Messer und Gabel. Meine Eltern dagegen rechneten bereits nach der ersten chinesischen Mahlzeit mit einem dramatischen Gewichtsverlust auf der Reise. Doch Übung macht den Meister und trotz der – als Plan B – mitgeführten Gabeln konnte eine steile Lernkurve beobachtet werden.

Der zweiwöchige Aufenthalt führt die dreiköpfige Besucherbande (meine Schwester Katharina ist auch dabei) über Peking, Luoyang, Xi’an und Zhangjiajie zurück zum Ausgangspunkt Shanghai.

Aus Zeitgründen (und weil Annika und ich bereits einiges gesehen haben) übernimmt eine deutschsprachige Reiseleitung die Elternbetreuung für einen Abschnitt der Reise. Die Rückmeldungen waren durchweg positiv und so müssen wir uns hoffentlich nicht die Titulierung ‘Rabenkinder’ gefallen lassen.

In Zhangjiajie ‘bewandern’ wir gemeinsam ein fantastisches Sandsteingebirge, welches seit 1992 Weltkulturerbe ist. Über hundert Meter ragen die Felsen wie Pfeiler in den Himmel. Die – leider in China beliebten – betonierten und betreppten Wege führen kreuz und quer durch das Areal von der Talsohle aufs Plateau und wieder hinab. Cineasten dürfte die Szenerie aus dem Film Avatar bekannt sein.

Nach zwei regnerischen, nebligen Tagen mit ähnlich guter Sicht wie im Shanghaier Smog, erfreuen wir uns am dritten Tag besten Sonnenscheins und hervorragender Aussicht. Wir machen kurzerhand den längsten Wandertag daraus. Ein wirklich lohnenswerter Trip in die Natur und Kontrastpunkt zum Trubel der Städte – allerdings sollte die Jugendherberge in Erwägung ziehen, die Speisekarte zu überarbeiten und eine schnellere Kaffeemaschine anzuschaffen ;).

Mit leichtem Muskelkater geht es zurück nach Shanghai. Den Abschluss bilden hier ein paar Tage voll mit Sightseeing (unvergesslich: mein Vater beim Fake-Skydiving auf dem Oriental Pearl Tower), Souvenir-Shopping und einer Akrobatikshow – kein Besucher soll sagen, hier wäre nichts los.

Wie so oft ist der Urlaub schneller vorüber als gewünscht und es heißt Rückkehr. Wir hoffen, dass die Eindrücke dieses riesigen Landes mit seinen Problemen und Schönheiten noch eine Weile bleiben. Der nächste Urlaub wird bestimmt erholsamer ;)
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Ed Sheeran in Shanghai – eine kleine Konzertkritik

Ein internationaler Künstler aus dem Vereinigten Königreich in Shanghai! Und dazu noch einen, den wir mögen – Ed Sheeran (“I’m a mess”, ‘Don’t”, usw.). Diese Chance konnten wir uns nicht entgehen lassen.
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Tatsächlich ist das Angebot an populären westlichen Kulturdarbietungen erstaunlich gering, und das obwohl viele Chinesen durch das Internet gut vernetzt sind und dementsprechend auch wissen, was der Rest der Welt gut findet. Außerdem befinden sich tausende Expats in der Stadt, die sicher ein dankbares Publikum abgeben würden. Natürlich kennen wir die Gründe nicht im Einzelnen, denkbar ist allerdings, das wenige Künstler Lust haben, sich den hohen bürokratischen Hindernissen zu stellen und sich zudem in ihre Darbietungen reinreden zu lassen.

Für Künstler ist es z.B. Pflicht, vor einem geplanten Konzert eine vorläufige Liste der zu spielenden Songs einzureichen. Das Ministerium für Kultur kontrolliert, welche Titel zu anstoessig sind und verbietet deren Aufführung. So geschehen bei den Rolling Stones (“Honky Tonk Woman”). Die Ueberpruefung kann beliebig lange dauern und vermutlich gibt es noch andere Huerden, die die Künstler und deren Management nicht bereit sind zu nehmen.

Zurück zu Mr. Sheeran. Das Konzert fand in der modernen Mercedes Benz Arena auf dem ehemaligen Expo Gelände statt. Die ‘Arena’ sieht von außen groß aus, nach meinem Urteil hat aber im Innenraum kein Fußballfeld Platz, woraus ich schlussfolgere, dass deren Hauptzweck Musikveranstaltungen ist. Umso mehr verwundert, dass die Akustik nicht sonderlich toll ist, vielleicht auch deshalb, weil man wie wir auf den mit ca. 40 Euro günstigsten Plätzen gegenüber der Bühne sitzt.
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Ja richtig, man sitzt. Ist uns vorher gar nicht aufgefallen, aber auf unseren Karten sind Sitzplätze vermerkt. In Deutschland nicht vorzustellen bei einem solchen Konzert, da möchte man doch, dass die Menge abgehen kann. Zahlreiche Platzanweiser geleiten einen durch Sicherheitskontrollen, vorbei an Heineken-Bierständen zu unseren Sitzen. Aus Sicherheitsgründen werden Kunststoffflaschen nur ohne Deckel verkauft. Treten denn so miese Künstler dort auf, dass mit Randale zu rechnen ist? – China ist nach dem Silvestervorfall vorsichtiger denn je, was Massenveranstaltungen anbelangt.

Ed Sheeran kommt ziemlich pünktlich auf die Bühne und zwar alleine mit seiner Gitarre. Zwar ist uns bekannt, dass es sich um einen Solokünstler handelt, doch selbst auf dessen letzten Album sind neben der Gitarre zahlreiche Musikinstrumente vertreten. Wie wird das wohl alles werden? – Die Auflösung ist relativ überraschend und dazu kompliziert. Das Schlagzeug und  andere Instrumente werden Playback eingespielt, während Sheeran jeweils die ersten Takte seiner Stücke auf der Gitarre selbst anspielt, sich dann aber auf den Gesang konzentriert. Das alles klappt richtig gut und bedarf eines exakten Timings. Wie lange hat er dafür geübt und was ist der Grund, Bühnenmusiker einzusparen? Ich hätte auf jeden Fall die Musikervariante favorisiert.
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Sheeran spielt alle uns bekannten Stücke und wir haben unseren Spaß. Am Anfang des Konzerts ist er etwas schnell unterwegs, dass wir hoffen, er bekommt keinen Infarkt. Bekommt er glücklicherweise nicht und nach einer Weile maessigt sich das Tempo. Dies bedeutet allerdings keine Verbesserung der Verständlichkeit seiner Ansagen zwischen den Stücken: Er hätte ebenso gut auf Chinesisch reden können.

Apropos Chinesisch: noch hat jeder von uns gesehene Künstler sein Publikum mit “Ni hao, Shanghai” begruesst. Ich vermute, dass dazu ein intensiver Sprachkurs auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt verantwortlich ist. Oder ebensogut, dass ein Spickzettel mit der Lautschrift “knee how, Shanghai” oder für deutschsprachige Künstler “Nie hau, Schang hai!”) auf der Bühne versteckt angebracht ist.
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Wir halten weiterhin die Ohren offen und freuen auf Jason Mraz Anfang April auf der Shanghai Grand Stage.

Eine völlig neue Tatorterfahrung

…sammelt man, wenn man versehentlich die Hörfassung des geschätzten Sonntagskrimis lädt. Es wird quasi ständig gesprochen, was auf Dauer recht anstrengend ist. Jede Dialoglücke wird mit szenischen Beschreibungen gefüllt. Zum Teil greift der Erzähler auch dem Geschehen vor.

Evtl. könnte man aus der Hörfassung eine echte Alternative zum Radiotatort machen. Hat das noch niemand bedacht?

Scheint in jedem Fall eine Menge Arbeit zu sein. Hut ab den Machern!