Herbert und das Feuerwerk

Seit ein paar Monaten treibt sich ein stattlicher Greifvogel bei uns in der Gegend, d.h. um den Hochhauskomplex, rum. Wir haben uns auch gewundert, gibt es doch scheinbar passendere Jagdgründe für dieses Tier. Wir freuen uns mittlerweile, wenn er wieder seine Kreise um unsere Türme zieht, und weil er uns inzwischen auch recht vertraut ist, haben wir ihm einen Namen gegeben: Herbert. Eigentlich, weil wir dachten, er sei ein Habicht. Herbert, der Habicht. Es gibt auch noch die These, dass es ein Bussard sei, passt aber mit dem Spitznamen Bert. Bert, der Bussard. Wir sind offen für informierte weitere Thesen.

Wir hoffen, dass Herbert seinen Horst ein ganzes Stück weit weg hat. Oder zumindest, dass er für gestern Abend ne gute Bleibe weit weg von unserer hatte. Da wurde es nämlich richtig laut. Es gab das Futakotamagawa Feuerwerk, eine Stunde auf beiden Uferseiten, synchron und choreographiert. Einmal im Jahr organisiert der Stadtteil dieses Event. Ein riesen Logistikaufwand bei einer Besucherzahl von angeblich 190,000.

Zwei Wochen zuvor beginnen die Aufbauarbeiten, ganz nach japanischem Geschmack mit extra vielen Absperrungen und Blinklichtern. Eine Broschüre wurde gedruckt in dem die Abfolge des Feuerwerks minutiös (18:01, 18:04, usw) beschrieben steht, jede Kreation hat ausserdem einen Sponsor. 6000 einzelne Feuerwerkskörper. Zahlreiche Ordner drücken sich seit mittags vor Ort herum, bewaffnet mit Flüstertüten und den obligatorischen Lichtschwertern. Mehrere Strassen wurden gesperrt, um den Menschenstrom Vorrang zu geben. Das sah von oben wirklich aus wie ein Ameisenstaat auf Wanderschaft!

Feuerwerke gibt’s übrigens im ganzen Land und zählen zu den Attraktionen im Sommer (ähnlich der Kirschblüte im Frühling oder der Blattfärbung im Herbst). 2016 waren wir während des Feuerwerks im Urlaub, 2017 ist es wegen Unwetter ausgefallen (nein, es wird nicht auf den Folgetag verschoben), und heuer haben wir’s eben sehen können, komfortabel aus unserer Bude raus. Eine Stunde lang wurde gefeuert.

Für die Großveranstaltung Hanabi (=Feuerwerk) wurden im Bahnhof zusätzliche Besucherschranken installiert. Zum Glück hat das Nicotama Days Café direkt neben der Station einen gläsernen Anbau, den man relativ flexibel abbauen kann. Die Besucher laufen quasi durch’s Café.
Die vielen Leute wollen trinken. Am liebsten anscheinend Bier. Damit sie auch finden, was sie suchen, wurden lauter Bierkühlschränke aufgestellt. Vom Andrang her wie bei uns kurz vor Weihnachten.

Gullideckelästhetik

Vielleicht werde ich schon etwas sentimental, weil klar ist, dass wir nur noch 8 Monate in Japan leben, aber mir ist aufgefallen, dass in Japan selbst Gullideckel eine gewisse Schönheit und Gepflegtheit haben, die in anderen Ländern so nicht zu finden sind. Hier auf jeden Fall eine kleine Auswahl:

Alles, was kawaii ist

かわいい – süß, liebenswert, bezaubernd, niedlich, sexy – kawaii in Japan ist mehr als die Summe seiner Übersetzungen. Kawaii ist eine Kulturpraxis. Kleine Kinder, Kleidungsstücke, Kirschblüten, Käfer, Kätzchen, Klebebildchen, Roboter … Eigentlich kann alles kawaii sein, was mit genug Zuckerguss, Farbe oder Kindchenschema versehen ist. Klar, denkt Ihr, bei uns zieht auch alles, was irgendwie süß ist. Aber Japan ist auch in dieser Hinsicht noch ein wenig konsequenter.

In der japanischen Popkultur gibt es viele Kawaii-Idole. Japanische Mädchen pflegen gerne die “kawaii Lolita-Mode”, eine Mischung aus viktorianischer und Rokoko-Mode, kombiniert mit Gothic-Elementen, die an Porzellanpuppen-Ästhetik erinnert. Auch bei Erwachsenen sieht man mitunter ein ähnlich puppenhaftes Styling, wenn auch meistens nicht so pastellig bunt.

In sogenannten Maid Cafés fungieren Kellnerinnen in Dienstmädchenkostümen als Dienerinnen und behandeln Kunden wie ihre Meister statt wie Caféhausgäste.

Japanische Comics mit vielen Farben, großen Augen und kindlichen Proportionen heißen Kawaii-Mangas.

Die japanischen High-Tech-Helfer-Roboter müssen natürlich auch kawaii sein.

In der Bahn warnt ein kawaii Häschen davor, dir nicht die Finger einzuklemmen, Straßensperrungen werden ganz unironisch durch niedliche Pinguine aufgelockert. Sogar die Nierentabletten, die nach zuviel Alkoholgenuß Abhilfe verschaffen sollen, werben mit süßen Figürchen.

Das Besondere an kawaii in Japan ist seine Allgegenwart. Die Kawaii-Begeisterung macht keinen Halt vor Altersgruppen, Gesellschaftsschichten, Geschlechtern. Natürlich laufen hier nicht überall rosafarbene puppenhaft gestylte junge Mädchen rum und man wird auch nicht in jedem Laden von Bärchen-Maskottchen begrüßt, aber 60-jährige mit Hello-Kitty-Accessoires sind keine Sonderlinge und auch 14-jährige Jungs oder 70-jährige Rentner dürfen entzückt “kawaii” rufen, wenn sie zum Beispiel unsere Tochter erspähen. A bissl kawaii geht immer. Zumindest in Japan.

Der Lappen ist unser

Die Erfolgsgeschichte des Tages: in nur 7.5 Stunden haben wir einen japanischen Führerschein erworben, davor hatten wir bloß eine Übersetzung die ein Jahr ab Einreise gültig ist. Auf dem Amt gehen 7 Stunden auf das Konto unseres Sitzfleisches, in der verbleibenden halben Stunde unternehmen wir eine kleine Odysee mit Antrag stellen, Foto machen (1), Dokumente einreichen, Zahlen, Sehtest, Foto machen (2) und Führerschein abholen.

Der kritische Punkt ist die Prüfung der Dokumente, denn man muss nachweisen, dass man nach dem Erhalt des deutschen Führerscheins mindestens 3 Monate in Deutschland wohnhaft war – sonst gilt es nicht (näh näh) und man muss eine echte Prüfung ablegen. Unsere wenigen zusammengeklaubten Dokumente wurden schließlich akzeptiert und wir damit happy. Der Rest war reine Formsache bzw. ein Geduldsspiel.

Hier die fröhlichen Gewinner:

Mochi Matschi

​Ein kulinarischer Neujahrsbrauch in Japan besteht darin, Reiskuchen, Mochi, zu machen. Wir hatten das Glück, bei meiner Japanischlehrerin zu einem Mochi-Mach-Fest eingeladen zu werden und alles mitmachen zu dürfen. 

Zuerst wird der Reis gekocht, es muss eine spezielle Klebreissorte sein.

Der heiße Reis wird in einen Holzzuber gefüllt und mit Holzknüppeln bearbeitet. Erst gematscht und dann beklopft. Im Wechsel und unter Anfeuerungsrufen der Anwesenden kümmern sich immer zwei um den Behau.

Die ganze Verarbeitung muss zügig von statten gehen, da nur in warmen Zustand der Brei formbar bleibt.

Die Masse, die dabei entsteht, ist ein gleichförmiger klebriger weißer Teig.

Dieser wird mit Maisstärke bepudert zu kleinen runden Küchlein geformt, entweder ungefüllt oder mit gesüßtem Rote-Bohnen-Brei oder Erdbeeren innendrin.

Schmeckt ganz gut, besonders die Erdbeervariante. Der Reis bleibt allerdings ziemlich klebrig und schwer zu schlucken- angeblich sind schon Menschen daran erstickt.Die schlichten ungefüllten Reiskuchen kann man auch mit Rettichsauce verzehren. Das war für uns allerdings ein bisschen gewöhnungsbedürftig.

Rutscht gut ins neue Jahr, wir sind dann mal weg. 🤗