Das Bad muss weg!

Als wir vor etwas mehr als einem Jahr in unsere Wohnung einzogen, “besuchte” uns als erstes eine Nachbarin. Sie stürmte ohne Begrüßung und Begründung an uns vorbei, um die Wohnung gründlich zu  inspizieren. Genauso schnell und wortlos wie sie gekommen war, verschwand sie auch wieder. Ich fand das Ganze etwas befremdlich, dachte mir “was für reizende Nachbarn,” und sonst nichts weiter.

Circa zwei Wochen später fand ich einen offiziell aussehenden Zettel an unserer Tür, natürlich auf Chinesisch. Mit aufwendiger Übersetzungsarbeit fand ich raus, dass unser Vermieter offiziell darüber informiert wurde, dass unser an das Schlafzimmer angeschlossene Bad angeblich ohne Genehmigung gebaut wurde. Wir gaben die Info und den Zettel weiter an Penny, unsere fleißige Maklerin, die uns versicherte, dass diese Info keine Relevanz für uns hätte.

Ein Jahr später. Penny, unsere fleißige Maklerin, meldet sich bei Christian, um ihm mitzuteilen, dass leider bald unser Bad abgerissen werden müsste, die Nachbarn von unten hätten einen Rechtsstreit mit unserem Vermieter gewonnen. Wir mögen unsere Wohnung eigentlich lieber mit dem Bad und sagen: Wenn das Bad weg muss, wollen wir auch weg.

Vier Wochen später. Es ist nichts passiert. Vor unserer Wohnungstür stehen zwei Frauen: die ältere Nachbarin, die ich zuletzt vor einem Jahr in unserer Bude gesehen hatte und seitdem nicht ein einziges Mal, mit einer jüngeren Frau, eine englisch sprechende Nachbarin, hinter der sich erstere körperlich und sprachlich versteckt. Die Dolmetscherin informiert uns darüber, dass der Richter jetzt endgültig den Abriss unseres Bades beschlossen hätte. Dahinter steht schief grinsend die Nachbarin von unten und amüsiert sich über unsere erstaunten Gesichter. Das schiefe Grinsen kann allerdings auch an dem Gebiss liegen, an dem einige meiner Verwandten sich orthopädisch und chirurgisch austoben könnten. Die bucklige Haltung erinnert zusätzlich an den Glöckner Quasimodo. Zur Begründung, warum unser Bad denn soviel Unmut errege, hören wir, dass es ihnen anscheinend gar nicht so sehr um die Geräusche ginge (unser Bad ist über ihrem Schlafzimmer), sondern hauptsächlich um die Sicherheit, weil an dieser Stelle wohl keine Leitungen vorgesehen seien. Wir nehmen die Info über den bevorstehenden Abriss unserer Nasszelle freundlich zur Kenntnis und verabschieden uns.

Eine Woche später. Quasimodo und Helferin stehen wieder an der Tür. Sie haben sich wieder für die gleiche Aufstellung entschieden. Quasimodo im Hintergrund schief grinsend an das Treppengeländer gelehnt, die jüngere Frau vorne. Diesmal werden wir informiert, dass die Abrissfrist bereits abgelaufen sei und der Richter (!) morgen früh (!) kommen werde, um unser Badezimmer zu demolieren. Okay, wenn wir morgen früh nicht da seien, dann käme er eben wann anders. Ob sie meine Telefonnummer haben könnten, damit der Richter den Zeitpunkt des Abrisses direkt mit mir absprechen könnte. Das war vor 2 Tagen. Noch steht das Bad.

So weit, so amüsant. Wir haben jetzt immerhin schon ein paar Wohnungen angeschaut und hoffen, dass das Bad erst demoliert wird, wenn wir schon eine neue Bleibe haben. Sollte sich allerdings vorher etwas tun, haben wir schon mal eine Kamera mit Bewegungsmelder aufgestellt, damit wir wenigstens was zu lachen haben, wenn der Richter mit seinem Vorschlaghammer kommt und Quasimodo schief grinsend die Zerstörung unserer Nasszelle dirigiert.