Wasn Shanghai?

Fragt man im Ausland nach deutschen Highlights, dann fällt bestimmt spätestens bei der dritten Aufzählung ‘the munich beerfest’. Oder falls sich der Gefragte an der deutschen Ausprache versucht, eben das ‘münsch beerfest’.

Wir wissen was gemeint ist (Toleranz!) und versuchen mit zunehmender Erschöpfung klar zu machen, dass es sich um eine bayrische Tradition handelt, nicht jeder (Freigerichter oder Ellwanger) Lederhosen und Dirndl im Schrank hat und warum wir im übrigen nicht die größten Fans des Sauffestes sind, und und und…

Und dann kommt eines Tages mein Werksleiter daher und freut sich, uns zu einem Shanghaier Oktoberfest einzuladen (O-Ton: ‘dem Besten von Shanghai’). Und plötzlich denkt man, eigentlich gar nicht so schlecht. Das Oktoberfest ist auf einmal doch ein wenig Heimat.
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Eine gesunde Gruppendynamik unter Kollegen macht’s möglich, dass ruck-zuck ein entsprechendes Outfit organisiert wird – beim chinesischen Pendant zu Ebay >Taobao< bekommt man fast alles (auch Tiernahrung). Ok, unsere Lederhosen sind ein derbes Imitat, etwas zu groß, sehen aber ganz ansehnlich aus. Annika wurde dank rechtzeitiger Ankündigung mit deutscher Qualitätsware eingekleidet (Danke, Inge!). Und das als einzige unserer Gruppe – die Männers entzückt. Daumen hoch!
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Die Veranstaltung wird seit Jahren vom Renaissance Hotel organisiert und standesgemäß im Zelt ausgetragen. Bereits davor knallen knackige Knaben im Rhythmus mit Peitschen zur Quetschkommode, um die Besucher auf das derbe B(r)auchtum einzustimmen. Dirndl-Chinesinnen stellen sicher, dass man an die gebuchte Bierbank findet. Der Service – wie so oft in China – sehr gut: Kaum hebt man die Hand, kommt schon im Austausch eines Gutscheins ein Bierchen angeflogen. Nein, es gibt keine Maßkrüge – nur Halbe sind im Auschank, ist bestimmt auch besser so.

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Am Büffet befinden sich bekannte, aber vermisste Köstlichkeiten: Rippchen, Sauerkraut, Fleischwaren in allen Varianten, Brezn und Apfelstrudel. Lecker und All you can eat! Warum nicht öfters so?

Die gefüllten Laiber wollen nach dieser Kur und durch das nächste Bierchen motiviert auf die Bänke gehievt werden: Tanz ist angesagt. Doch das verräterische Ächzen lässt chinesische Qualität vermuten und die ‘festeren’ Gäste werden auf stabilere Bankpositionen manövriert. Puh, Unglück verhindert!

Auf der Zeltbühne gibt es abwechselnd musikalische Darbietungen (u.a. Schuhplattlertänze) und Spiele – wie einfallsreich  – Wetttrinken! In regelmäßigen Abständen schallt ein “Yi, er, san… gan bei!” durch die Menge: Kommando zum Bechern. ‘Gan  bei’ heißt wörtlich trockener Becher und ordnungsgemäßer Weise müsste man daraufhin den Becher leeren. Das ist auch des Rätsels Lösung, warum in chin. Lokalen die Biergläser meist kleiner sind als die bekannten Kölsch-Gläser.

Erwähnt werden soll in diesem Artikel noch mein chinesischstämmiger Kollege Tao: 10 Jahre Schwaben haben ihn – man glaubt es kaum – zum Schwaben gemacht. Auf wundersame Weise hat er, als alle schon längst ihr Kontigent aufgebraucht hatten und der Zapfenstreich bereits gespielt war (Punkt 23 Uhr), ein Bier nach dem anderen hervorgezaubert. Ob da wohl ordentlich guanxi (Beziehungen) im Spiel waren? – Heute lässt sich das nicht mehr lückenlos rekonstruieren… Wie dem auch sei, in jedem Fall hat uns der Gute über dürstige Zeiten gerettet.

Xiexie dafür sagt:
Euer Strietzl

Nachtrag: Der Autor hat bei diesem Artikel besonderen Spaß am Gebrauch dt. Ümlaute gehabt. In seinem Alltag sind diese dank besönderer Ümstände leider weit in den Hintergründ geraten. Pröst!

Qingdao

Qingdao ist ne Reise wert. Wir haben an einem Samstag früh um 7 den Zug von Shanghai nach Beijing genommen und sind ungefähr nach der Hälfte ausgestiegen. So gegen halb 2 sind wir dann nach draußen gestolpert und haben uns über das sommerliche Wetter und die Seebrise gefreut.
Wie wir gemerkt haben, laufen dort einige Dinge anders als in Shanghai. Während wir hier, wenn mal ein Taxifahrer angehalten hat, sehr gute Chancen haben, zu unserem gewünschten Ziel zu kommen, ist uns das in Qingdao genau einmal gelungen – und auch das nur mit Hilfe. Qingdao fährt Bus. Für das Hostel, für Touristenattraktionen, für die von einem Deutschen gegründete Brauerei: Es wird immer die entsprechende Buslinie und Haltestelle angegeben. Heißer Tipp für Qingdao-Reisende: Druckt euch vorher nen Stadt- und Busplan aus.
Wir konnten im Meer baden und schöne alte Häuser anschauen, viele davon mit deutschem kolonialen Hintergrund. Ein richtig schöner Wochenendausflug!
Und den Mond konnten wir unter klarem Himmel sehen, ein Privileg für uns Shanghaier, das wir natürlich besonders wegen des Vollmonds zum Fest desselben genossen haben.
Und hier noch eine kleine musikalische Ode an Qingdao (oder Tsingtao): http://www.youtube.com/watch?v=nACh6Cq8rKY
Viel Vergnügen!