Ed Sheeran in Shanghai – eine kleine Konzertkritik

Ein internationaler Künstler aus dem Vereinigten Königreich in Shanghai! Und dazu noch einen, den wir mögen – Ed Sheeran (“I’m a mess”, ‘Don’t”, usw.). Diese Chance konnten wir uns nicht entgehen lassen.
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Tatsächlich ist das Angebot an populären westlichen Kulturdarbietungen erstaunlich gering, und das obwohl viele Chinesen durch das Internet gut vernetzt sind und dementsprechend auch wissen, was der Rest der Welt gut findet. Außerdem befinden sich tausende Expats in der Stadt, die sicher ein dankbares Publikum abgeben würden. Natürlich kennen wir die Gründe nicht im Einzelnen, denkbar ist allerdings, das wenige Künstler Lust haben, sich den hohen bürokratischen Hindernissen zu stellen und sich zudem in ihre Darbietungen reinreden zu lassen.

Für Künstler ist es z.B. Pflicht, vor einem geplanten Konzert eine vorläufige Liste der zu spielenden Songs einzureichen. Das Ministerium für Kultur kontrolliert, welche Titel zu anstoessig sind und verbietet deren Aufführung. So geschehen bei den Rolling Stones (“Honky Tonk Woman”). Die Ueberpruefung kann beliebig lange dauern und vermutlich gibt es noch andere Huerden, die die Künstler und deren Management nicht bereit sind zu nehmen.

Zurück zu Mr. Sheeran. Das Konzert fand in der modernen Mercedes Benz Arena auf dem ehemaligen Expo Gelände statt. Die ‘Arena’ sieht von außen groß aus, nach meinem Urteil hat aber im Innenraum kein Fußballfeld Platz, woraus ich schlussfolgere, dass deren Hauptzweck Musikveranstaltungen ist. Umso mehr verwundert, dass die Akustik nicht sonderlich toll ist, vielleicht auch deshalb, weil man wie wir auf den mit ca. 40 Euro günstigsten Plätzen gegenüber der Bühne sitzt.
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Ja richtig, man sitzt. Ist uns vorher gar nicht aufgefallen, aber auf unseren Karten sind Sitzplätze vermerkt. In Deutschland nicht vorzustellen bei einem solchen Konzert, da möchte man doch, dass die Menge abgehen kann. Zahlreiche Platzanweiser geleiten einen durch Sicherheitskontrollen, vorbei an Heineken-Bierständen zu unseren Sitzen. Aus Sicherheitsgründen werden Kunststoffflaschen nur ohne Deckel verkauft. Treten denn so miese Künstler dort auf, dass mit Randale zu rechnen ist? – China ist nach dem Silvestervorfall vorsichtiger denn je, was Massenveranstaltungen anbelangt.

Ed Sheeran kommt ziemlich pünktlich auf die Bühne und zwar alleine mit seiner Gitarre. Zwar ist uns bekannt, dass es sich um einen Solokünstler handelt, doch selbst auf dessen letzten Album sind neben der Gitarre zahlreiche Musikinstrumente vertreten. Wie wird das wohl alles werden? – Die Auflösung ist relativ überraschend und dazu kompliziert. Das Schlagzeug und  andere Instrumente werden Playback eingespielt, während Sheeran jeweils die ersten Takte seiner Stücke auf der Gitarre selbst anspielt, sich dann aber auf den Gesang konzentriert. Das alles klappt richtig gut und bedarf eines exakten Timings. Wie lange hat er dafür geübt und was ist der Grund, Bühnenmusiker einzusparen? Ich hätte auf jeden Fall die Musikervariante favorisiert.
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Sheeran spielt alle uns bekannten Stücke und wir haben unseren Spaß. Am Anfang des Konzerts ist er etwas schnell unterwegs, dass wir hoffen, er bekommt keinen Infarkt. Bekommt er glücklicherweise nicht und nach einer Weile maessigt sich das Tempo. Dies bedeutet allerdings keine Verbesserung der Verständlichkeit seiner Ansagen zwischen den Stücken: Er hätte ebenso gut auf Chinesisch reden können.

Apropos Chinesisch: noch hat jeder von uns gesehene Künstler sein Publikum mit “Ni hao, Shanghai” begruesst. Ich vermute, dass dazu ein intensiver Sprachkurs auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt verantwortlich ist. Oder ebensogut, dass ein Spickzettel mit der Lautschrift “knee how, Shanghai” oder für deutschsprachige Künstler “Nie hau, Schang hai!”) auf der Bühne versteckt angebracht ist.
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Wir halten weiterhin die Ohren offen und freuen auf Jason Mraz Anfang April auf der Shanghai Grand Stage.

Borneolisches im Jänner

“Was? Waren die Lumpen schon wieder Urlaub?”, mag sich manch’ einer fragen. Die Antwort ist: Jepp, denn wir haben über Weihnachten geschuftet wie die Berserker und durften die Früchte ebendieser Arbeit im Januar geniessen.

Jeglichen Warnungen¹ zum Trotz lautete unser Urlaubsziel: Borneo, genauer gesagt Sabah auf dem malaysischen Teil der Insel. Unser Flug (nur 20 Passagiere: einsteigen, lang machen) führte uns nach Kota Kinabalu². Bei diesem Namen kommt mir zwangsläufig immer der Song “if you like Pina Coladas..” ins Ohr. Dämlich, sorry. Aber der Song ist gut.

Kota Kinabalu ist eine nette überschaubare Stadt. Die tropischen Temperaturen und die saubere Luft stimmten uns gleich positiv. Der Nachtmarkt hält einige lecker zubereitete Meeresbewohner zum Verzehr vor. Auch frische Säfte, Pubs mit Livemusik und das ein oder andere kühle Bier kamen nicht schlecht bei uns an.

Wie immer nach einem Nachtflug sehnten wir uns nach nichts anderem als einer ebenen Liegefläche. Leider Fehlanzeige – das gebuchte Zimmer war noch belegt. Ein Topidee kam auf und kurze Zeit später brausten wir verschwitzt und nur mit Handgepäck auf die vorgelagerte Insel Sapi. Wir waren direkt im Urlaub. Sandstrand, Schnorchel- und Tauchbetrieb und so nebenbei Riesenechsen(!).

Wie wir nachlesen, ist diese Insel tatsächlich für ihre Waran-Population bekannt. Wir dagegen sind mehr oder weniger in die Biester, die bis zu 50kg schwer werden können, rein gerannt. Es gab keine Verletzten. Wohl aber einen finanziellen Verlust, denn auf der Inseltoilette (deja vue und Gruß an Bastue) wurden wir um einen Großteil unserer Barabhebung gebracht. Tathergang: Portmonaie vergessen und ausgeplündert wiedergefunden. Merde! Wir lassen uns davon die schlechte Laune nicht verderben. “Lebbe geht weider”, hat man dazu vor ein paar Jahren im Hessenland gesagt.

Am folgenden Tag zurrten wir unseren Trip zurecht. Wir kamen wie immer ungeplant und mussten feststellen, dass in Borneo einiges nur mit Buchen von Reisepaketen und Beschaffen von streng limitierten Berechtigungen (zum Bergsteigen und Tauchen), etc. funktioniert.

Unsere erste Station war eine zweitägige Wanderung auf den Mount Kinabalu (4095m, höchster Berg Borneos).  Diese hat uns ganz schön unsere Grenzen aufgezeigt. Wir erreichten den Gipfel nach rund 2400 Höhenmetern erschöpft und frierend morgens um 5:30 Uhr. Eigentlich, um die Sonne aufgehen zu sehen. Nach 5 Minuten war es klar, dass die Wolken die Regie übernommen hatten und wir ganz andere Sorgen als einen romantischen Sonnenaufgang hatten: Der Nieselregen ging langsam aber sicher in einen eisigen Schauer über, der den Abstieg auf dem glatten Gestein nicht einfacher gestaltete.

Kleine Bergkritik an dieser Stelle: Die Planer hätten gut daran getan, sich etwas mehr Gedanken zur Wegführung des “Summit Trails” zu machen. In direkter Linie zum Gipfel mit 30% Treppenanteil ist nicht unbedingt das, was wir unter einem tollen Wanderweg verstehen.

Sei’s drum: wir kamen glücklich, zufrieden und froh um die körperliche Ertüchtigung von der Tour zurück. Unsere Wunden leckten wir uns daraufhin in Sepilok, einer kleinen Enklave inmitten der nicht enden wollenden Palmöl-Plantagen Borneos (ein grosses Problem für die Tierwelt).

Touristenmagnet Nummer eins ist in Sepilok das Orang-Utan Rehabilitationscenter, welches sich zur Aufgabe gemacht hat, hilfsbedürftige Zeitgenossen aufzupeppeln und anschliessend auszuwildern. Wir durften ein paar Exemplare dieser faszinierenden Spezies bei einer Zufütterung bewundern. Fazit: Von den Kletterfertigkeiten dürfen wir uns gerne einiges abschauen!

Daneben gibt es noch ein Schutzgebiet für die endemischen Nasenaffen. Dank der frappierenden Ähnlichkeit zu ihnen bin ich immer wieder in den Fokus schnappschussjagender Touristen geraten. Diese Kerle sind einfach zu cool. Aufgrund ihrer Diät (nur Blattkost) verfügen sie über einen ähnlichen Verdauungsapparat wie Kühe. Der dicke Bauch, das orangene Haar und die der Verdauung geschuldeten Flatulenzen hat ihnen zudem den Beinamen “Dutch Monkey” eingebracht. Wie mögen wohl unsere niederländischen Nachbarn darüber denken?!

Es darf erwähnt werden, dass Januar ein Monat der Regenzeit in den Tropen ist. Immer wieder wurden wir daher Opfer zum Teil starker Regenfälle (natürlich bei angenehmen Temperaturen). Der Höhepunkt war die Überflutung der Zufahrt zu unserem Gasthaus, wodurch wir gezwungen wurden, im wadentiefen Wasser zur nächsten Busstation zu laufen.

Unsere letzte Reisestation befand sich im südöstlichsten Teil Borneos. Die Region ist bekannt für das Artenreichtum im Unterwasserschutzgebiet um die Insel von Sipandan. Die geographischen Gegebenheiten (Vulkanischer Ursprung, Steilwände mit einer Tiefe bis zu 2km) sorgt dafür, dass sich das maritime Leben dort ein Stelldichein gibt. Darunter befinden sich verschiedene Arten von Haien, Barrakudas, Seeschildkröten und und und.

Wir nisteten uns für fünf Tage im Tauchressort “Scuba Junkie” auf der Nachbarinsel Mabul ein und fröhnten in vollen Zügen dem Tauchsport. Das komplette Arrangement ist wirklich gut durchdacht und optimiert darauf, soviel Zeit wie möglich unter Wasser zu verbringen (fühlen uns mittlerweile schon wie gewiefte Seegurken). Der Spass kam auch Dank der vielen netten Leute, die wir dort kennenlernten und der ein oder anderen geschmuggelten Flasche Feuerwasser, nicht zu kurz.

Etwas surrealistisch ist das ganze Szenario dennoch. Zahlreiche Ressorts wie unseres teilen sich die Insel mit dem ärmlichen halbsesshaften Insulanern. Von den Einheimischen werden sie auch “sea gypsies” (Seezigeuner) genannt und die auf Pfählen im Flachwasser stehenden Behausungen unterstreichen den Eindruck, dass es sich nicht um langfristige Wohnorte handelt. Die Mehrzahl der Insulaner sind übrigens Kinder. Wenn es eine Haupteinnahmequelle gibt, muss dies der Fischfang sein. Trotz der großen Diskrepanz der Lebenswelten scheint das Zusammenleben harmonisch, zumindest konnten wir nichts gegenteiliges feststellen.

Wegen der Kidnapping-Fälle, illegaler Immigration und des Disputs um Hoheitsrechte wird die Insel, wie eigentlich die ganze Region, von der malaysischen Armee bewacht. Am Abend patrouillieren schwer bewaffnete Soldaten den Strand. Bei Anlanden auf kleinen offiziell unbewohnten Inseln bei unseren Tauchgängen, schauten wir des Öfteren in die Mündung von freundlich gesinnten Maschinengewehren. Wir verstanden das alles zu unserem Schutz und fühlten uns in der Tat sicher, trotzdem stimmt es uns immer wieder nachdenklich, in welchem Paradies wir wohl gelandet waren.

Einen spottbilligen Inlandsflug später waren wir wieder in KK und auf dem Rückweg nach China. Und so endete unser Urlaub nach tollen zwei Wochen in einem schönen abwechslungsreichen Land voll sauberer Luft, einer Multikulti-Bevölkerung, die uns auf Englisch versteht, freiem und schnellem Internet. Borneo – jederzeit wieder!

Fussnoten:

¹Die Warnungen im Einzelnen:
a) Da gibt’s doch kein Bier! (da muslimisch geprägt);
b) Seid ihr sicher, mit Malaysian Airlines zu fliegen? (zwei Abstürze in 2014);
c) Keine Angst vor Touri-Kidnapping? (mehrere in 2014).

²Zur Zeit der brit. Kolonialherrschaft hieß KK, wie die Einheimischen die Stadt dieser Tage nennen, übrigens Jesselton.

Let’s go for a walk…

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Die Luftqualität erreicht heute in Shanghai historische Bestwerte, zumindest was unseren Aufenthalt hier angeht. Normalerweise pendelt der AQI-Tacho (Air Quality Index) so zwischen 50 und 200 in den Sommermonaten, wobei alles unter 100 schon zu Freudentaumel führt.
Grund der Besserung: Der Typhoon Fung-Wong sucht derzeit die Ostküste Chinas heim und bringt neben einer tüchtigen Brise auch viel Regen mit. Im Vergleich  zu anderen Provinzen ist Shanghai nur moderat betroffen. Annika und ich haben gestern abend schon die Gelegenheit für eine Joggingrunde genutzt. Es ist absurd, aber Regenwetter ist für uns Sportwetter.

Nachtrag: In der Firma angekommen, sehe ich wieder einige Kollegen in Flip-Flops auf dem Hof: Der beste Umgang gegen knöcheltiefe Pfützen, die es aufgrund der mangelnden baulichen Qualität in China zu Hauf gibt!

Wasn Shanghai?

Fragt man im Ausland nach deutschen Highlights, dann fällt bestimmt spätestens bei der dritten Aufzählung ‘the munich beerfest’. Oder falls sich der Gefragte an der deutschen Ausprache versucht, eben das ‘münsch beerfest’.

Wir wissen was gemeint ist (Toleranz!) und versuchen mit zunehmender Erschöpfung klar zu machen, dass es sich um eine bayrische Tradition handelt, nicht jeder (Freigerichter oder Ellwanger) Lederhosen und Dirndl im Schrank hat und warum wir im übrigen nicht die größten Fans des Sauffestes sind, und und und…

Und dann kommt eines Tages mein Werksleiter daher und freut sich, uns zu einem Shanghaier Oktoberfest einzuladen (O-Ton: ‘dem Besten von Shanghai’). Und plötzlich denkt man, eigentlich gar nicht so schlecht. Das Oktoberfest ist auf einmal doch ein wenig Heimat.
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Eine gesunde Gruppendynamik unter Kollegen macht’s möglich, dass ruck-zuck ein entsprechendes Outfit organisiert wird – beim chinesischen Pendant zu Ebay >Taobao< bekommt man fast alles (auch Tiernahrung). Ok, unsere Lederhosen sind ein derbes Imitat, etwas zu groß, sehen aber ganz ansehnlich aus. Annika wurde dank rechtzeitiger Ankündigung mit deutscher Qualitätsware eingekleidet (Danke, Inge!). Und das als einzige unserer Gruppe – die Männers entzückt. Daumen hoch!
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Die Veranstaltung wird seit Jahren vom Renaissance Hotel organisiert und standesgemäß im Zelt ausgetragen. Bereits davor knallen knackige Knaben im Rhythmus mit Peitschen zur Quetschkommode, um die Besucher auf das derbe B(r)auchtum einzustimmen. Dirndl-Chinesinnen stellen sicher, dass man an die gebuchte Bierbank findet. Der Service – wie so oft in China – sehr gut: Kaum hebt man die Hand, kommt schon im Austausch eines Gutscheins ein Bierchen angeflogen. Nein, es gibt keine Maßkrüge – nur Halbe sind im Auschank, ist bestimmt auch besser so.

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Am Büffet befinden sich bekannte, aber vermisste Köstlichkeiten: Rippchen, Sauerkraut, Fleischwaren in allen Varianten, Brezn und Apfelstrudel. Lecker und All you can eat! Warum nicht öfters so?

Die gefüllten Laiber wollen nach dieser Kur und durch das nächste Bierchen motiviert auf die Bänke gehievt werden: Tanz ist angesagt. Doch das verräterische Ächzen lässt chinesische Qualität vermuten und die ‘festeren’ Gäste werden auf stabilere Bankpositionen manövriert. Puh, Unglück verhindert!

Auf der Zeltbühne gibt es abwechselnd musikalische Darbietungen (u.a. Schuhplattlertänze) und Spiele – wie einfallsreich  – Wetttrinken! In regelmäßigen Abständen schallt ein “Yi, er, san… gan bei!” durch die Menge: Kommando zum Bechern. ‘Gan  bei’ heißt wörtlich trockener Becher und ordnungsgemäßer Weise müsste man daraufhin den Becher leeren. Das ist auch des Rätsels Lösung, warum in chin. Lokalen die Biergläser meist kleiner sind als die bekannten Kölsch-Gläser.

Erwähnt werden soll in diesem Artikel noch mein chinesischstämmiger Kollege Tao: 10 Jahre Schwaben haben ihn – man glaubt es kaum – zum Schwaben gemacht. Auf wundersame Weise hat er, als alle schon längst ihr Kontigent aufgebraucht hatten und der Zapfenstreich bereits gespielt war (Punkt 23 Uhr), ein Bier nach dem anderen hervorgezaubert. Ob da wohl ordentlich guanxi (Beziehungen) im Spiel waren? – Heute lässt sich das nicht mehr lückenlos rekonstruieren… Wie dem auch sei, in jedem Fall hat uns der Gute über dürstige Zeiten gerettet.

Xiexie dafür sagt:
Euer Strietzl

Nachtrag: Der Autor hat bei diesem Artikel besonderen Spaß am Gebrauch dt. Ümlaute gehabt. In seinem Alltag sind diese dank besönderer Ümstände leider weit in den Hintergründ geraten. Pröst!