Pudeldamen

Nicht nur zu den Eltern im Viertel haben wir dank Lotte ein etwas intensiveres Verhältnis, sondern auch zu den Hundehaltern. Hunde haben hier oft Accessoire-Funktion, sind meistens klein und oft verkleidet. Lotte ist von allen Vierbeinern ziemlich begeistert, besonders von solchen, die kleiner sind als sie. Hundehalterinnen und ihre Tierchen sollen sich ja im Lauf der Zeit angleichen. Dazu gibt es auch einen kürzlich erschienenen Bildband. Davon völlig unabhängig, sind das auf jeden Fall unsere Lieblings-Pudeldamen in der Nachbarschaft.

Im Osten geht die Sonne auf

“Das Land der aufgehenden Sonne” ist die chinesische Sicht der Dinge. Die chinesischen (und japanischen) Zeichen für Nippon 日本 bedeuten wörtlich: Ursprung der Sonne. Wenn Chinesen in die Richtung sehen, wo die Sonne aufgeht, sehen sie automatisch in Richtung Japan. Die ersten Erwähnungen dieses Namens finden sich entsprechend auch in alten chinesischen Dokumenten. Obwohl es im Laufe seiner Geschichte auch einige alternative Namen gab, hat sich die chinesische Variante durchgesetzt. Die Flagge nimmt das Bild des Sonnenaufgangs mit der zinnoberroten Sonnenscheibe auf.

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Für uns Japan-Frischlinge hat sich die Sonnenaufgangsthematik weit profaner gestaltet. Nach kurzer Zeit waren wir überzeugt, dass die japanische Zeitzone nicht stimmt, denn für unseren Geschmack wird es sowohl zu früh hell als auch zu früh dunkel. Insbesondere dem hingebungsvollen Freizeitoptimierer Christian macht diese Sache schwer zu schaffen. Also hab ich mal nachgeschaut, wie das mit den Sonnenstunden so ist (gilt für 2016, Quelle: www.sunrise-and-sunset.com)

Tokio
21 März: Sonne auf 05:45, Sonne unter 17:53, 12:08h Tageslicht.
21 Juni: Sonne auf 04:27, Sonne unter 18:59, 14:31h Tageslicht.
21 September: Sonne auf 05:29 Sonne unter 17:39, 12:09h Tageslicht.
21 Dezember: Sonne auf 06:48, Sonne unter 16:31, 09:43h Tageslicht.
–> im Schnitt 11.97h Stunden Tageslicht

Frankfurt
21 März: Sonne auf 06:26, Sonne unter 18:39, 12:13h Tageslicht
21 Juni: Sonne auf 05:16, Sonne unter 21:37, 16:20h Tageslicht
21 September: Sonne auf 07:11, Sonne unter 19:23, 12:12h Tageslicht
21 Dezember: Sonne auf 08:22, Sonne unter 16:24, 08:01h Tageslicht
–> im Schnitt 12.12h Stunden Tageslicht.

Bei den Sonnenaufgangszeiten in Tokio würden die meisten annehmen, dass es sich um ein Land der Frühaufsteher und Frühfeierabendmacher handelt. Das Gegenteil ist der Fall. Da es als unhöflich gilt, vor dem Boss Feierabend zu machen, gehen viele sogenannte “Salary Men” (die meisten sind Männer, vielleicht dazu später nochmal was) nicht vor 20 Uhr aus dem Büro. Dafür kommen sie aber auch eher später zur Arbeit.

Ich konnte nicht rausfinden, warum die japanische Zeitzone so ist, wie sie ist, aber vielleicht hängt das auch mit China zusammen. Dort hatten wir uns schon über die etwas verschobene Zeitzone gewundert und rausgefunden, dass das ganze riesige Land EINE Zeitzone hat – eingeführt 1949 von der Kommunistischen Partei zur Beton(ier)ung der Einheit Chinas. Japan ist das Nachbarland, eine Zone weiter.

Auf jeden Fall vermissen wir die langen Sommerabende, an denen es nach Feierabend noch hell ist und wir grillen und Frisbee spielen können.

Ihr da in Deutschland: Genießt den Tag, so lange er hell ist!

Nimm’s nicht persönlich

Im persönlichen Kontakt in China ist es wichtig, das Gesicht zu wahren und Gesicht zu geben. Unter keinen Umständen möchten Chinesen sich selbst oder Menschen in ihrer Umgebung in peinliche Lagen versetzen, stattdessen wird lieber die Wahrheit und die eigene Meinung ein bisschen gebogen. Höflichkeit bedeutet, nicht direkt zu sagen, was man möchte. Wer diese Regeln nicht beachtet und gerade raus widerspricht und seine Meinung sagt, wird schnell selbst als “gesichtslos” wahrgenommen, also links liegen gelassen und nicht ernst genommen – und das passiert natürlich häufig Menschen aus anderen Kulturen.

In der Öffentlichkeit und während unpersönlicher Kurzkontakte herrscht häufig eine ausgeprägte Ruppigkeit. Die westliche Höflichkeit, wie sie sich in Europa nach dem Vorbild des Benehmens bei Hofe entwickelt hat, spielt hier keine Rolle. Zum Beispiel ist es durchaus akzeptiert, lautstark auf den Boden zu rotzen, beim Essen zu rauchen, laut zu schmatzen und zu schlürfen, sein Kind auf die Straße pinkeln zu lassen oder andere zur Seite zu drängeln, um einen Platz in der vollen U-Bahn zu ergattern.

Für Chinesen aus ländlichen Gegenden sind Menschen aus dem Westen häufig noch Aufsehen erregend. Wegen unseres seltsamen Äußeren werden wir immer wieder mal ungeniert angegafft wie ein Elefant im Straßenverkehr. Gerne wird auch über die Elefantenhaftigkeit der Ausländer gesprochen, selbst wenn diese signalisieren, dass sie genug Chinesisch verstehen, um zu wissen, dass es gerade um sie geht.

Einkaufen auf Märkten in China ist ein sportlicher Wettbewerb, in dem alle Mittel erlaubt sind. Da die chinesichen Händler davon ausgehen, dass wir Ausländer erstens ein Vielfaches des chinesischen Einkommens verdienen (das stimmt in vielen Fällen auch) und  zweitens den ursprünglichen Preis überhaupt nicht einschätzen können, wird uns Laowai gerne mal das Doppelte und Dreifache abgeknöpft.

Aber wir sind nicht persönlich gemeint: Dass wir die sozialen Regeln nicht kennen, ist eben so, das erwartet auch niemand von uns. Dass gerotzt und gerüpelt wird, ist normal und erlebt jeder Mensch in China. Dass wir eine Attraktion darstellen, hat eben auch nichts mit uns als Person zu tun, sondern damit, dass China jahrhundertelang abgeschottet war und zum Teil immer noch schwer zugänglich ist. Und dass wir auf den Märkten übers Ohr gehauen werden, jo mei, das verstehen viele Chinesen als ausgleichende Gerechtigkeit und vielleicht sollten wir es auch so sehen.

Meine wichtigste Lektion nach 11 Monaten China: Nimm’s nicht persönlich!

Zu Unrecht verdächtigt

…habe ich heute Nacht unseren Nachbarn, den vermeintlichen Schuft. Nutzt der Kerl den günstigen Nachtstrom und wäscht um drei Uhr in der früh seine Wäsche – unfassbar. Na warte. So ungefähr ging es mir noch vor wenigen Stunden durch den Kopf.
Dann wollte ich es genau wissen und ging heute morgen auf den Balkon, von wo die Geräusche zu kommen schienen. Und siehe da: es regnet fette Tropfen, die aufs Dach und die Markisen schlagen. Das Ganze in einem Rhythmus, den ich nur einer Waschmaschine zugetraut hätte.
Entschuldigung für den haltlosen Verdacht, Herr Nachbar!