Aloha – hawaiianische Bekanntschaften

Wen wir in Hawaii gesehen, getroffen oder kennen gelernt haben:

  • Der Winker am Rand der Landstrasse. Im violetten Glitzerjacket mit enthusiastisch-meditativen Bewegungen in Slow-Motion wie ein Techno-Anhänger in den Neunzigern versucht er neue Anhänger für seine Sekte zu finden. Spiritual Awakening. Abgefahren!
  • Der Extrawurst-Kunde. Gesehen in einem Restaurant in Waikiki Beach. Er ist sehr schwerfällig und umständlich und beschäftigt drei Angestellte des Restaurants mit Selbstbedienungsbuffet (!). Weiterhin verzögernd wirkt das mehrfach genuschelte “Thank you soooo much.”
  • Die Bed-and-Breakfast-Lady. Sie wohnt alleine in ihrem Messy-Haushalt und vermietet Gästezimmer zu saftigen Preisen. Die Gäste werden über die gesamte Familiengschichte unterrichtet – inklusive der Vermählung ihrer Tochter mit einem Deutschen aus Kiel, Malte.
  • Die griffbereite Taucher-Lady. Sie schnappt sich Meeresbewohner mit ihren behandschuhten Händen. Für Freizeittaucher eigentlich ein riesen Tabu. Wir sympathisieren mit dem Tintenfisch, der aus Notwehr seinen Sekretbeutel gekonnt entleert und letztlich in einer Tintenwolke abhauen kann.
  • Die gesprächige Sprechstundenhilfe in der Zahnarztpraxis, welche wir wegen Christians maroden Zahns besuchen. Sie erzählt uns, dass sie die meisten Urlaubsorte aus Furcht vor unhygienischen Toilettenverhältnissen meidet. Wir versichern ihr, dass Japan in dieser Hinsicht ein perfektes Reiseziel ist.
  • Tim Ross Music. Ein Alleinunterhalter mit Gitarre und Rhythmusmaschine, der unsere großzügige Spende in seinem Hut beinahe übersehen hätte.
  • Der Flight Attendant auf einem interinsularen Flug, der Geburtstag hat und dessen Kollegin dies über das Bordmikrofon allen Passagieren mitteilt.
  • Die Mietwagen-Büroangestellte. Erst superfreundlich, aber als deutlich wird, dass wir keine Extrawürste buchen, kann sie sich kaum zu einem “Bye bye” durchringen.
  • Die Frau des Zahnarztes, die ihren Mann freundlicherweise dazu bringt, Christians Krone auch samstags einzusetzen. Speziell: während der Injektion der Betäubung (“we want you to be properly numbed up”) reibt die Gute wie verrückt – offensichtlich zur Ablenkung – an Christians Unterarmpelz. Anmerkung: Christian hat den Einstich dennoch bemerkt.
  • Der Mungo am Captain-Cook-Denkmal. Er hat genau kapiert, wie der Hase (=der Tourist) läuft und stibitzt sich mit beeindruckender Geschicklichkeit einen Cookie aus einer unbeachteten Picknicktasche.
  • Der Krake in seinem Habitat am Meeresgrund, der, nachdem Christian ihn entdeckt hat, seine Farbwandelbarkeit und Anpassungsfähigkeit zur Schau stellt. Mindestens so camouflagefähig wie ein Chamäleon. Wer “Findet Dory” gesehen hat, kann sich ungefähr vorstellen, was wir meinen.
  • Die verfolgte Thronerbin. Eine englische Wissenschaftlerin (?), die uns auf einem Campingplatz eine ungefragte Vorlesung zur Geschichte der Insel gibt. Nach und nach offenbart sie uns, dass die britische Krone/Regierung (“they”) schon mehrere Anschläge auf sie veranlasst habe (nach ihrer Zählung 10 oder 11). Grund dafür sei, dass ihr Vater ein illegitimer Windsor-Sprößling gewesen sei. Ach so, außerdem ist sie die Halbschwester von Andrew Lloyd Webber.
  • Die vielen Restaurant-Angestellten, die sich uns mit ihrem Vornamen und aufrichtig gespieltem Interesse vorstellen und natürlich auf saftiges Trinkgeld hoffen. Nach der Bezahlung werden wir unsichtbar wie der Krake am Meeresgrund.
  • Die Schalterbeamtin am County Office, die uns beinahe keine Zelterlaubnis ausgestellt hätte, weil wir 5 Minuten vor Schalterschluss kommen. Die Zelterlaubnis ist übrigens nichts weiter als ein Zettel, den sie ausdrucken muss.
  • Kili’i = hawaiianisch für “Der Hüter des Waldes”, mit bürgerlichem Namen eigentlich Patrick. Versteht sich als Sheriff der Campingplatz-Community und verscheucht schon mal mitten in der Nacht ungebetene Campingplatz-Besucher. Arbeitet hauptberuflich als Koch. Sehr freundlich.

Im Osten geht die Sonne auf

“Das Land der aufgehenden Sonne” ist die chinesische Sicht der Dinge. Die chinesischen (und japanischen) Zeichen für Nippon 日本 bedeuten wörtlich: Ursprung der Sonne. Wenn Chinesen in die Richtung sehen, wo die Sonne aufgeht, sehen sie automatisch in Richtung Japan. Die ersten Erwähnungen dieses Namens finden sich entsprechend auch in alten chinesischen Dokumenten. Obwohl es im Laufe seiner Geschichte auch einige alternative Namen gab, hat sich die chinesische Variante durchgesetzt. Die Flagge nimmt das Bild des Sonnenaufgangs mit der zinnoberroten Sonnenscheibe auf.

Flag_of_Japan_(1870-1999).svg

Für uns Japan-Frischlinge hat sich die Sonnenaufgangsthematik weit profaner gestaltet. Nach kurzer Zeit waren wir überzeugt, dass die japanische Zeitzone nicht stimmt, denn für unseren Geschmack wird es sowohl zu früh hell als auch zu früh dunkel. Insbesondere dem hingebungsvollen Freizeitoptimierer Christian macht diese Sache schwer zu schaffen. Also hab ich mal nachgeschaut, wie das mit den Sonnenstunden so ist (gilt für 2016, Quelle: www.sunrise-and-sunset.com)

Tokio
21 März: Sonne auf 05:45, Sonne unter 17:53, 12:08h Tageslicht.
21 Juni: Sonne auf 04:27, Sonne unter 18:59, 14:31h Tageslicht.
21 September: Sonne auf 05:29 Sonne unter 17:39, 12:09h Tageslicht.
21 Dezember: Sonne auf 06:48, Sonne unter 16:31, 09:43h Tageslicht.
–> im Schnitt 11.97h Stunden Tageslicht

Frankfurt
21 März: Sonne auf 06:26, Sonne unter 18:39, 12:13h Tageslicht
21 Juni: Sonne auf 05:16, Sonne unter 21:37, 16:20h Tageslicht
21 September: Sonne auf 07:11, Sonne unter 19:23, 12:12h Tageslicht
21 Dezember: Sonne auf 08:22, Sonne unter 16:24, 08:01h Tageslicht
–> im Schnitt 12.12h Stunden Tageslicht.

Bei den Sonnenaufgangszeiten in Tokio würden die meisten annehmen, dass es sich um ein Land der Frühaufsteher und Frühfeierabendmacher handelt. Das Gegenteil ist der Fall. Da es als unhöflich gilt, vor dem Boss Feierabend zu machen, gehen viele sogenannte “Salary Men” (die meisten sind Männer, vielleicht dazu später nochmal was) nicht vor 20 Uhr aus dem Büro. Dafür kommen sie aber auch eher später zur Arbeit.

Ich konnte nicht rausfinden, warum die japanische Zeitzone so ist, wie sie ist, aber vielleicht hängt das auch mit China zusammen. Dort hatten wir uns schon über die etwas verschobene Zeitzone gewundert und rausgefunden, dass das ganze riesige Land EINE Zeitzone hat – eingeführt 1949 von der Kommunistischen Partei zur Beton(ier)ung der Einheit Chinas. Japan ist das Nachbarland, eine Zone weiter.

Auf jeden Fall vermissen wir die langen Sommerabende, an denen es nach Feierabend noch hell ist und wir grillen und Frisbee spielen können.

Ihr da in Deutschland: Genießt den Tag, so lange er hell ist!

Futako Tamagawa Rise Tower West 2401

so heisst unsere neue Adresse an Tokios Stadtgrenze (Goole Maps: https://goo.gl/maps/kkYC53GjESQ2 Google Earth Ansicht empfehlenswert). Daneben liegt Kanagawa, je nach Wikipedia-Eintrag a) eine Präfektur, deren Verwaltungssitz die Stadt Yokohama ist und die eine bilaterale Partnerschaft mit Baden-Württemberg pflegt oder b) einer von 18 Stadtbezirken (Ku) der Stadt Yokohama. Das sei hier nur erwähnt, um Euch ein Häppchen unserer Verwirrung zum Kosten zu geben.

Das vergangene Wochenende stand ganz im Zeichen des Einzugs. Am Samstag sind der Gasmann, unsere sechs riesen Umzugskisten aus Shanghai, unsere Fahrräder, eine Ikea-Lieferung und gebraucht gekaufte Waschmaschine und Kühlschrank allesamt ordnungs- und termingemäß angeliefert worden. Außer uns hat jeder, der unsere Wohnung betreten hat, seine Schuhe an der Schwelle abgestreift, ob die Person jetzt ein dickes Paket balancieren musste oder nicht.

Wir schufteten bis nach Sonnenuntergang (ca. 18 Uhr) um unsere neue Schlafstätte zu errichten. Davor wäre es auch zu heiß gewesen, denn dank Westausrichtung genießen wir Nachmittagssonne, dass man denkt, man bräuchte Sonnenbrillen.

Die Wohnung ist super, hier ein paar Highlights:
1. Über eine Gegensprechanlage lassen sich Wünsche aus der Badewanne an die Küche übermitteln.
2. Ein Raum dient einzig dem Zweck der Verrichtung der Notdurft.
3. Ja, man kann sich dort auch den Hintern abspritzen lassen.
4. Die Türsprechanlage warnt vor Erdbeben.
5. Beim Eintreten sorgt ein Bewegungsmelder für Licht und Orientierung.
6. Eine Fensterfront zeigt uns das Treiben am Tama-Fluss und an umliegenden Verkehrswegen (für Stauauskünfte bitte anrufen 06055-8932512)

Folgend ein paar Bilder von unserem Umzug:

Die Zwischenzeit


Zur Illustration für die, die die Geographie um Tokio vielleicht gerade nicht präsent haben: Mittig unten der blaue Punkt ist Yokohama, da wohnen wir gerade. Bei der roten Markierung ist ab Mai Christians Büro und etwa ab da wo Shibuya steht, wird Tokio besonders interessant.

Wir wohnen zur Zeit übergangsweise in einer Art Ferienwohnung in der Nähe von Yokohamas Hafen. Eine schöne Sache, da wir am Meer spazieren oder joggen gehen können, um unsere Shanghai-geplagten Lungen durchzulüften und tief durchzuatmen. Aber es ist eben nur ein zwischenzeitliches Zuhause, wir sind – natürlich – auf der Suche nach einer dauerhaften Bude, deren Verkehrsanbindung strategisch möglichst gut zwischen Tokios Zentrum und Christians neuer Arbeitsstelle liegt. Auch unsere Umzugskisten aus Shanghai befinden sich in einer Interimssituation. Sie übernachten zur Zeit beim japanischen Zoll und die Umzugsfirma fragt schon jeden Tag an, wo sie die Kisten nach der Zollabfertigung denn hinliefern darf.

Die derzeitige Situation ist uns vertraut und gleichzeitig nicht. Wir sind angekommen, aber noch nicht ganz da. Wir sind wieder fünf Jahre alt, verstehen das meiste noch nicht so ganz, können nichts lesen und haben nur eine ungefähre Ahnung davon, wie die Dinge funktionieren und der Hase läuft. Während Christian schon fleißig am Arbeiten ist, lerne ich Japanisch und die Gegend kennen. So ähnlich wie vor etwas mehr als zwei Jahren in Shanghai.

Sakura Forecast

Die Kirschblüten (Sakura) übrigens markieren auch so eine Zwischenzeit, der Frühling ist angekommen, aber noch nicht ganz da. Ganz Japan freut sich an ihnen, es gibt sogar eine offizielle Blühvorhersage (hier von http://www.japan-guide.com/sakura), so dass Interessierte die 10 Tage andauernde kostbare Sakura-Zeit in ihrer Gegend nicht verpassen. Wie Ihr seht, hat Tokio seinen Zenit in der Zwischenzeit schon überschritten.