Sumo

Vergangenen Sonntag hatten wir das Vergnügen und die Ehre, live im Stadion ein Freundschaftsturnier des weltberühmten und hoch ritualisierten Ringkampfes (ausgesprochen hier übrigens wie “Smoo”; hartes s, nur gehauchtes u, langes o) anzusehen. Es hat erstaunlich viel Spaß gemacht und im Stadion war eine überraschend gelöste Atmosphäre. Nach relativ kurzer Zeit hatten wir auch einen Favoriten gefunden, Takanoiwa Yoshimori, der es bis ins Finale geschafft hat.

Das Podest, auf dem sich der Ring befindet, ist aus einem speziellen Lehm gemacht, die Oberfläche ist mit Sand bestreut. Nachdem die beiden Kontrahenten das Podest besteigen, werden erstmal verschiedene Rituale durchgeführt. Erst wird Salz in den Ring geworfen, um Dämonen zu vertreiben und den Ring zu reinigen. Die Sumo-Ringer positionieren sich immer wieder einander gegenüber, ohne dass der eigentliche Kampf los geht. So ganz geblickt haben wir die Rituale auch nach 50 gesehenen Kämpfen nicht, aber das nimmt dem Zusehen nichts an Vernügen. Der Kampf beginnt, wenn die “Luft” zwischen den beiden “stimmt”, das entscheiden die Kämpfer.

Wir haben bei unserem Turnier keinen Kampf über 20 Sekunden gesehen. Es verliert der Kämpfer, dessen Körperteil (Zeh, Arm, Nase, egal) zuerst den Boden außerhalb des Rings berührt oder der innerhalb des Rings den Boden mit etwas anderem als seinen Füßen berührt.

​Was beim Sumo nicht erlaubt ist: Haare ziehen, treten, Bein stellen, spucken, ohrfeigen, den Gegner am Wickel (der Gürtel heißt Mawashi) hochheben, Kopfnüsse, dem Gegner auf den Hintern klatschen uvm. Beim Comedy-Sumo, auch ein Teil dieses Freundschaftsturniers, wurden alle diese No-Gos einmal humoristisch vorgeführt.

Faszinierend, dass diese Sportart ihren Ursprung im figurbewussten Japan hat und die Kämpfer dort wie Helden verehrt werden. Die meisten Sumo-Ringer sind übrigens sehr muskulös und beweglich. Einer der Komiker-Sumos hat aus dem Stand mal eben so einen Spagat gemacht.

Der Sieger des Turniers war in diesem Fall übrigens Kisenosato Yutaka, der erst diesen Januar zum Großmeister oder Yokuzuna ernannt wurde. Die Ernennung eine große Sache, da er der erste in Japan geborene Yokuzuna seit 19 Jahren ist. Für seinen Erfolg bekam er von den Sponsoren des Turniers eine Tonne (!) Rindfleisch, ein Fass Reis und eine Klimaanlage.

Das Finale des Tourniers. Rechts Großmeister Kisenosato, links unser Favorit Takanoiwa. Die Banner, die am Anfang um den Ring getragen werden, sind Werbung.

Aloha – hawaiianische Bekanntschaften

Wen wir in Hawaii gesehen, getroffen oder kennen gelernt haben:

  • Der Winker am Rand der Landstrasse. Im violetten Glitzerjacket mit enthusiastisch-meditativen Bewegungen in Slow-Motion wie ein Techno-Anhänger in den Neunzigern versucht er neue Anhänger für seine Sekte zu finden. Spiritual Awakening. Abgefahren!
  • Der Extrawurst-Kunde. Gesehen in einem Restaurant in Waikiki Beach. Er ist sehr schwerfällig und umständlich und beschäftigt drei Angestellte des Restaurants mit Selbstbedienungsbuffet (!). Weiterhin verzögernd wirkt das mehrfach genuschelte “Thank you soooo much.”
  • Die Bed-and-Breakfast-Lady. Sie wohnt alleine in ihrem Messy-Haushalt und vermietet Gästezimmer zu saftigen Preisen. Die Gäste werden über die gesamte Familiengschichte unterrichtet – inklusive der Vermählung ihrer Tochter mit einem Deutschen aus Kiel, Malte.
  • Die griffbereite Taucher-Lady. Sie schnappt sich Meeresbewohner mit ihren behandschuhten Händen. Für Freizeittaucher eigentlich ein riesen Tabu. Wir sympathisieren mit dem Tintenfisch, der aus Notwehr seinen Sekretbeutel gekonnt entleert und letztlich in einer Tintenwolke abhauen kann.
  • Die gesprächige Sprechstundenhilfe in der Zahnarztpraxis, welche wir wegen Christians maroden Zahns besuchen. Sie erzählt uns, dass sie die meisten Urlaubsorte aus Furcht vor unhygienischen Toilettenverhältnissen meidet. Wir versichern ihr, dass Japan in dieser Hinsicht ein perfektes Reiseziel ist.
  • Tim Ross Music. Ein Alleinunterhalter mit Gitarre und Rhythmusmaschine, der unsere großzügige Spende in seinem Hut beinahe übersehen hätte.
  • Der Flight Attendant auf einem interinsularen Flug, der Geburtstag hat und dessen Kollegin dies über das Bordmikrofon allen Passagieren mitteilt.
  • Die Mietwagen-Büroangestellte. Erst superfreundlich, aber als deutlich wird, dass wir keine Extrawürste buchen, kann sie sich kaum zu einem “Bye bye” durchringen.
  • Die Frau des Zahnarztes, die ihren Mann freundlicherweise dazu bringt, Christians Krone auch samstags einzusetzen. Speziell: während der Injektion der Betäubung (“we want you to be properly numbed up”) reibt die Gute wie verrückt – offensichtlich zur Ablenkung – an Christians Unterarmpelz. Anmerkung: Christian hat den Einstich dennoch bemerkt.
  • Der Mungo am Captain-Cook-Denkmal. Er hat genau kapiert, wie der Hase (=der Tourist) läuft und stibitzt sich mit beeindruckender Geschicklichkeit einen Cookie aus einer unbeachteten Picknicktasche.
  • Der Krake in seinem Habitat am Meeresgrund, der, nachdem Christian ihn entdeckt hat, seine Farbwandelbarkeit und Anpassungsfähigkeit zur Schau stellt. Mindestens so camouflagefähig wie ein Chamäleon. Wer “Findet Dory” gesehen hat, kann sich ungefähr vorstellen, was wir meinen.
  • Die verfolgte Thronerbin. Eine englische Wissenschaftlerin (?), die uns auf einem Campingplatz eine ungefragte Vorlesung zur Geschichte der Insel gibt. Nach und nach offenbart sie uns, dass die britische Krone/Regierung (“they”) schon mehrere Anschläge auf sie veranlasst habe (nach ihrer Zählung 10 oder 11). Grund dafür sei, dass ihr Vater ein illegitimer Windsor-Sprößling gewesen sei. Ach so, außerdem ist sie die Halbschwester von Andrew Lloyd Webber.
  • Die vielen Restaurant-Angestellten, die sich uns mit ihrem Vornamen und aufrichtig gespieltem Interesse vorstellen und natürlich auf saftiges Trinkgeld hoffen. Nach der Bezahlung werden wir unsichtbar wie der Krake am Meeresgrund.
  • Die Schalterbeamtin am County Office, die uns beinahe keine Zelterlaubnis ausgestellt hätte, weil wir 5 Minuten vor Schalterschluss kommen. Die Zelterlaubnis ist übrigens nichts weiter als ein Zettel, den sie ausdrucken muss.
  • Kili’i = hawaiianisch für “Der Hüter des Waldes”, mit bürgerlichem Namen eigentlich Patrick. Versteht sich als Sheriff der Campingplatz-Community und verscheucht schon mal mitten in der Nacht ungebetene Campingplatz-Besucher. Arbeitet hauptberuflich als Koch. Sehr freundlich.

Kaffee Ratte

Im Japanischen gibt es nicht wirklich ein “R”. Es gibt zwei Laute, die so ähnlich klingen – ein L und etwas, was einem rollendes R gleicht. Viele Japaner machen da auch keinen Unterschied, wenn sie Englisch sprechen, das ist manchmal schwer zu verstehen. Die Umschrift verwendet für diese Laute R’s, weswegen die unerfahrene Japanischstudentin logischerweise alles mit einem R ausspricht, was so geschrieben steht.

Die japanischen Schriften kann ich mittlerweile so lesen wie eine Erstklässlerin – erst “übersetze” ich die einzelnen Laute und dann gucke ich, ob ich das Wort schon kenne. Etwas so: “Ha, a, u, es – Ha, au s – ah, Haus”. Und so habe ich neulich herausgefunden, dass der Convenience Store unseres Vertrauens ein ganz besonderes Getränk im Angebot hat: den “Ka, fe, ra, te”!

Noch nicht probiert, hab Schiss.

Apartmentaussichten: Ein Tag im Zeitraffer

Weltpremiere: eine Zeitrafferaufnahme aus unserer Bude vom 22. Mai. Die Kamera habe ich dazu hemdsärmlig auf unseren Balkon gestellt, wohl nicht ganz fest, denn das Bild hopst zwischendurch mal (oder schon wieder Erdbeben?!). Geplant waren 24 Stunden, aber der Akku hat bei der Frequenz von einem Bild pro fünf Minuten nicht durchgehalten. So sind es um 15 Stunden geworden.

Spannend finde ich den kurzen Sonnenuntergang. Auch kann man das Treiben auf dem Grillplatzes links unten gut erkennen.

 

Die Zwischenzeit


Zur Illustration für die, die die Geographie um Tokio vielleicht gerade nicht präsent haben: Mittig unten der blaue Punkt ist Yokohama, da wohnen wir gerade. Bei der roten Markierung ist ab Mai Christians Büro und etwa ab da wo Shibuya steht, wird Tokio besonders interessant.

Wir wohnen zur Zeit übergangsweise in einer Art Ferienwohnung in der Nähe von Yokohamas Hafen. Eine schöne Sache, da wir am Meer spazieren oder joggen gehen können, um unsere Shanghai-geplagten Lungen durchzulüften und tief durchzuatmen. Aber es ist eben nur ein zwischenzeitliches Zuhause, wir sind – natürlich – auf der Suche nach einer dauerhaften Bude, deren Verkehrsanbindung strategisch möglichst gut zwischen Tokios Zentrum und Christians neuer Arbeitsstelle liegt. Auch unsere Umzugskisten aus Shanghai befinden sich in einer Interimssituation. Sie übernachten zur Zeit beim japanischen Zoll und die Umzugsfirma fragt schon jeden Tag an, wo sie die Kisten nach der Zollabfertigung denn hinliefern darf.

Die derzeitige Situation ist uns vertraut und gleichzeitig nicht. Wir sind angekommen, aber noch nicht ganz da. Wir sind wieder fünf Jahre alt, verstehen das meiste noch nicht so ganz, können nichts lesen und haben nur eine ungefähre Ahnung davon, wie die Dinge funktionieren und der Hase läuft. Während Christian schon fleißig am Arbeiten ist, lerne ich Japanisch und die Gegend kennen. So ähnlich wie vor etwas mehr als zwei Jahren in Shanghai.

Sakura Forecast

Die Kirschblüten (Sakura) übrigens markieren auch so eine Zwischenzeit, der Frühling ist angekommen, aber noch nicht ganz da. Ganz Japan freut sich an ihnen, es gibt sogar eine offizielle Blühvorhersage (hier von http://www.japan-guide.com/sakura), so dass Interessierte die 10 Tage andauernde kostbare Sakura-Zeit in ihrer Gegend nicht verpassen. Wie Ihr seht, hat Tokio seinen Zenit in der Zwischenzeit schon überschritten.